DLR - Raumflugbetrieb und Astronautentraining

21.08.2013 - Von der ISS zum Mars

Exploration: Das DLR und elf weitere Raumfahrtagenturen veröffentlichen neue Roadmap

Zwölf Raumfahrtagenturen, darunter auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), haben am 20. August 2013 die zweite Version eines globalen Explorations-Fahrplans (Global Exploration Roadmap) veröffentlicht. Eine Expertengruppe, die "International Space Exploration Coordination Group" (ISECG), erarbeitet darin gemeinsame Ziele für künftige robotische und astronautische Missionen zum Mond, zu erdnahen Asteroiden und zum Mars. Dr. Jürgen Hill, Leiter der Fachgruppe Exploration im DLR Raumfahrtmanagement, vertritt das DLR in der ISECG und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist die Global Exploration Roadmap?

Die Global Exploration Roadmap ist eine Art Fahrplan für die bemannte und robotische Erkundung des Weltraums bis 2035. Nach der ersten Veröffentlichung  2011 stellt die neue Version auf 50 Seiten zum ersten Mal ein international koordiniertes Szenario dar. Zwölf Raumfahrtagenturen, darunter das DLR, die europäische Weltraumorganisation ESA, die US-Raumfahrtbehörde NASA, die russische Raumfahrtagentur Roskosmos und die japanische JAXA, haben sich auf gemeinsame wissenschaftliche Ziele zur Erkundung von Mond, Mars und Asteroiden, die notwendigen Fahrzeuge,  Wohnmodule und weitere Infrastrukturen sowie über konkrete Vorbereitungen im All und auf der Erde verständigt. Die Roadmap ist damit eine wesentliche Grundlage für Konzepte und Partnerschaften bei der Vorbereitung und Umsetzung der Missionen.

Um welche Szenarien geht es?

Die Roadmap stellt ein machbares Szenario für die Exploration vor. Dieses beginnt  mit der Internationalen Raumstation ISS und erweitert schrittweise die Fähigkeiten der astronautischen Raumfahrt mit dem Ziel einer bemannten Marsmission. Die ISS bietet als Forschungs- und Technologieplattform einzigartige Möglichkeiten, um robotische und bemannte Missionen vorzubereiten. Robotische Missionen zu Asteroiden, Mond und Mars werden durch ihre wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnisse künftige astronautische Missionen sicherer machen. Bis 2025 soll sich die astronautische Raumfahrt  auf den Raum zwischen Erde und Mond ausdehnen: der Fokus liegt auf erdnahen Asteroiden, auf mehrwöchigen bis mehrmonatigen Aufenthalten von Astronauten im All jenseits des Erdorbits und darauf, die Mondoberfläche über einen längeren Zeitraum genauer zu erforschen. Dazu benötigen wir beispielsweise spezifische Energieversorgungssysteme, insbesondere, wenn längere Nachtzeiten ohne die Energie der Sonne überbrückt werden müssen. Den Mars werden mittelfristig robotische Missionen weiter erkunden: Im Rahmen des ExoMars-Programms der ESA sollen 2016 und 2018 in zwei Missionen ein Orbiter und ein Rover zum Roten Planeten geschickt werden. Das DLR ist auch an der Landemission InSight der NASA beteiligt, die 2016 zum Mars starten soll.

Außerdem werden die Entwicklungsarbeiten der Agenturen durch die Arbeit für die Roadmap zusammengeführt und analysiert. Zum einen, um sicherzustellen, dass wichtige neue Technologien rechtzeitig zur Verfügung stehen, zum anderen, um sinnvolle Partnerschaften zu identifizieren und Doppelarbeiten zu vermeiden. Darüber hinaus dienen sogenannte Analogmissionen auf der Erde dazu, technische Systeme und operationelle Konzepte für den Einsatz im All unter vergleichbaren Umweltbedingungen zu prüfen. So testen im Projekt AMASE (Arctic Mars Analogue Svalbard Expedition) Wissenschaftler des DLR und anderer Agenturen Instrumente, Rover und Raumanzüge in der marsähnlichen arktischen Umgebung auf Spitzbergen.

Welche Rolle spielt das DLR?

Das DLR ist seit der Gründung des Expertengremiums im Jahre 2008 in die ISECG eingebunden. Wir können damit auf Augenhöhe mit unseren internationalen Partnern über künftige Missionen und Prioritäten sprechen. Die Diskussion liefert uns wichtige Informationen für die programmatische Planung in Deutschland und Europa. Wir erhalten einen tiefen Einblick in aktuelle Arbeiten und Pläne anderer Agenturen. Zugleich stellen wir unsere eigene Expertise und technologischen Möglichkeiten auf den Prüfstand. Einrichtungen des DLR wie das im Juli 2013 eröffnete Forschungslabor  :envihab in Köln oder die planetare Rover-Testanlage in Oberpfaffenhofen können hier wichtige Beiträge liefern. In der Rover-Testanlage wurde zum Beispiel zuletzt ein Prototyp des Marsrovers der europäischen ExoMars-Mission getestet, um zu kontrollieren, dass er die sandigen Böden und Oberflächenhindernisse auf dem Mars bewältigen kann.

Welchen Nutzen hat die Roadmap für die Menschen auf der Erde?

Die Exploration des Weltraums erweitert die Einflusssphäre des Menschen über den Erdorbit hinaus und will dabei fundamentale Fragen beantworten: Woher kommen wir? Gibt es Leben außerhalb der Erde? Wie kann menschliches Leben außerhalb unseres blauen Planeten aussehen? Darüber hinaus stellt uns die Exploration vor Herausforderungen, die wiederum Basis sind für innovative Technologien auf der Erde. Wir lernen zum Beispiel die begrenzten Ressourcen einer bemannten Raumfahrtmission wie Luft- und Wasserkreisläufe oder die Energieversorgung zu verstehen und zu managen. Dieses Wissen können wir auf der Erde in erneuerbare Energien und Recyclingprozesse einfließen lassen. Oder wir untersuchen Gemeinsamkeiten zwischen robotischen Mondmissionen und der Tiefseeforschung. Nicht zuletzt bilden wir durch die Kooperationen in der Roadmap internationale Partnerschaften. In diese bringen wir die Kenntnisse und Erfahrungen des DLR sowie der deutschen Forschung und Industrie ein.

20.08.2013 - In die Zentrifuge für den Weltraumtourismus

DLR-Wissenschaftler untersuchen Blutgerinnung unter erhöhter Schwerkraft

Die ersten Tickets an Weltraumtouristen sind bereits verkauft - die Passagiere werden dabei aber keine trainierten und körperlich durchweg gesunden Astronauten sein, sondern oftmals Menschen mit sehr unterschiedlichen gesundheitlichen Voraussetzungen. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchen deshalb zusammen mit Medizinern der Universität Witten/Herdecke in einer ersten Pilotstudie, welche Risiken bestehen: In einer Langarmzentrifuge setzen sie Probanden über 15 Minuten den Kräften aus, die durchschnittlich bei Start und Landung auf die Weltraumtouristen zukommen. Ziel der Studie ist es, den Einfluss der erhöhten Schwerkraft auf die Blutgerinnung zu erforschen.

Insgesamt 20 Probanden werden dabei in einer Kabine an einem sechs Meter langen Arm mit 22 Umdrehungen pro Minute beschleunigt. Bereits 15 Sekunden nach dem Anfahren erleben die Männer zwischen 25 und 40 Jahren die dreifache Schwerkraft. "Das Atmen fällt schwerer, da muss man sich erst daran gewöhnen", erläutert Proband Max Schneider nach seiner Fahrt an der Langarmzentrifuge. Schon vor der Fahrt hatten Ulrich Limper und Peter Gauger vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin die ersten Blutproben genommen, um den ursprünglichen Zustand analysieren zu können. Während die dreifache Schwerkraft auf Max Schneider wirkt, überwachen Zentrifugen-Operator Hartmut Friedrich und Arzt Jürgen Wenzel die Reaktionen des Probanden. Eine Kamera überträgt das Gesicht des Probanden in den Kontrollraum. Regelmäßige Messungen von Blutdruck und Herzschlag zeigen: Dem Probanden geht es trotz der Belastung gut. Sobald die Kabine nach 15 Minuten stoppt, muss er die nächsten Blutproben abgeben. "Damit können wir die ganz unmittelbaren Auswirkungen der erhöhten Schwerkraft feststellen", erläutert Ulrich Limper. Eine halbe Stunde später werden die letzten Blutabnahmen durchgeführt - weil einige Reaktionen im Blut erst mit einer Zeitverzögerung ausgelöst werden.

Touristen mit Gesundheitsrisiko

"Bei einem Weltraumtouristen müssen wir davon ausgehen, dass er älter ist, vorher vielleicht Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Beinvenen-Thrombosen hatte - aber dennoch ins Weltall fliegen möchte und sich dafür den körperlichen Belastungen aussetzt", sagt Mediziner Limper. Die privaten Anbieter der Flüge werden dabei einem möglichst breiten Publikum die Reise in die mehrminütige Schwerelosigkeit anbieten wollen. "Dafür muss man die Risiken kennen, ein effektives medizinisches Durchchecken vor dem Start festlegen oder in einem nächsten Schritt auch Lösungen für die Risiken anbieten." Nehmen Passagiere beispielsweise Medikamente, die nach einem Schlaganfall oder einer Lungenembolie die Fähigkeit zur Blutgerinnung heruntersetzen, könnte deren Wirkung während des Flugs vermindert werden. "Dieses Risiko muss definiert werden - damit es minimiert werden kann", sagt Arzt Ulrich Limper über das gemeinsame Forschungsprojekt von DLR und der Universität Witten/Herdecke.

Interaktion zwischen Blutgerinnung und Gefäßsystem

Eine erste Tendenz der Studie liegt bereits vor: "Die erhöhte Schwerkraft erhöht sehr wahrscheinlich die Gerinnbarkeit des Blutes." Bisher wurde dieser Effekt lediglich an menschlichen Blutzellen in einer Zentrifuge oder auch an Tieren untersucht. Die Arbeit mit Probanden ermöglicht den Wissenschaftlern allerdings genauere Untersuchungen: "Die Blutgerinnung steht unter anderem in einem engen Zusammenhang mit dem menschlichen Gefäßsystem - das kann man mit Blutproben in einer Zentrifuge nicht berücksichtigen."

Um möglichst eindeutige Ergebnisse zu erhalten, wurden die Probanden nach einem strikten Schema ausgewählt: Nur wer die Untersuchung der Fliegerärztlichen Untersuchungsstelle des DLR bestand und keine Auffälligkeiten bei der Blutgerinnung hatte, wurde zur Studie zugelassen. Die Probandengruppe soll möglichst einheitlich sein, so dass die festgestellten Ergebnisse zur Blutgerinnung auch ausschließlich auf die Zentrifugenfahrt zurückzuführen sind. Ausfälle gibt es aber auch hier: "Bei einigen müssen wir die Fahrt abbrechen - auch wer einen gesunden Körper hat, kann manchmal nicht mit seinem Kreislauf die Auswirkungen der erhöhten Schwerkraft ausgleichen."

25.07.2013 - Alphasat - ein Quantensprung für die Satellitenkommunikation

Europas größter Kommunikationssatellit ist erfolgreich gestartet

Informationen beherrschen unseren Alltag: Stetig wachsende Datenmengen müssen rund um den Globus transportiert werden. Satellitenkommunikation hat einen wesentlichen Anteil daran, dass uns diese Informationen zuverlässig erreichen. Vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geförderte Spitzentechnologie ist mit an Bord des bislang größten ESA-Kommunikationssatelliten Alphasat I-XL, der am 25. Juli 2013 um 21.54 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit vom ESA-Raumfahrtzentrum in Kourou (Französisch-Guyana) an Bord einer Ariane-5-Trägerrakete ins Weltall gestartet ist. In einer Höhe von knapp 36 000 Kilometern über der Erde soll der Riesensatellit in den nächsten 15 Jahren die Breitbandkommunikation im Mobilfunk revolutionieren. 28 Minuten nach dem Lift-Off wurde Alphasat erfolgreich in seinen geostationären Transferorbit entlassen. 

Der erste Alphasat ist eine so genannte Public-Private-Partnership (PPP) zwischen der ESA und Inmarsat, einer globalen Betreiberfirma für mobile Satellitenkommunikationsdienste. Dieser öffentlich-privaten Partnerschaft verdankt der Satellit auch das "I" in seinem Namen. Das Alphasat-Entwicklungsprojekt im Rahmen des ESA-Satellitenprogramms (ARTES 8) - an dem sich Deutschland über das DLR Raumfahrtmanagement beteiligt - verfolgt mehrere Ziele. 

Technologie aus Deutschland in 36 000 Kilometern Höhe

Die neuentwickelte Satellitenplattform "Alphabus" bedient das Marktsegment großer Satelliten mit bis zu 8,8 Tonnen Gesamtgewicht. Deutsche Zulieferer sind maßgeblich am Bau der Satellitenplattform beteiligt, die unter französischer Führung von den Hauptauftragnehmern EADS Astrium und Thales Alenia Space in Toulouse entwickelt worden ist. Deutschland ist zweitgrößter Beitragszahler im Alphabus-Entwicklungsprogramm. "Deutschland ist ein starker Standort für die Entwicklung von innovativer Satelliten-Technologie. Auch die Leistungsfähigkeit von Alphasat bestimmen Komponenten aus Deutschland. Sie sorgen für den Transfer von Alphasat I-XL in die endgültige Position im geostationären Orbit, sind für die Lageregelung verantwortlich und sichern die Energieversorgung des Satelliten durch seine sehr großen Solarpanele", erläutert Dr. Gerd Gruppe, DLR-Vorstand zuständig für das Raumfahrtmanagement.

Der Alphasat-Solargenerator wurde bei EADS Astrium in Ottobrunn entwickelt und gebaut. Er stellt zwölf Kilowatt Leistung für den Riesensatelliten zur Verfügung. Mit jeweils vier Modulen auf der Nord- und Südfläche des Satelliten überragt er mit seiner "Spannweite" von fast 40 Metern die eines Airbus A320. "Um diese Leistung zu erreichen, waren neue und größere Panele notwendig, die in Ottobrunn auch mit Beiträgen der Münchner Firma GKN Aerospace entwickelt wurden. Der Solar Generator ist dabei von Anfang an so ausgelegt, dass er zukünftige, noch weit größere Versionen des Alphabus mit einer Gesamtleistung von bis zu 22 Kilowatt versorgen kann", berichtet Anke Pagels-Kerp, Alphasat-Projektleiterin beim DLR Raumfahrtmanagement.

Das Antriebssystem für den Transfer zum geostationären Orbit sowie Triebwerke für die Lagerregelung des Satelliten wurden von EADS Astrium in Lampoldshausen bereitgestellt. Wie bei Kommunikationssatelliten üblich, wird der Satellit von der Startrakete in einem niedrigen erdnahen Transferorbit ausgesetzt. Um seine Zielposition, den geostationären Orbit in rund 36.000 Kilometern Höhe zu erreichen, braucht auch der Alphasat ein bordeigenes, chemisches Antriebssystem. Die mit rund 2.000 Liter größten bislang für Kommunikationssatelliten hergestellten Treibstofftanks für das chemische Antriebssystem stammen vom Augsburger Unternehmen MT Aerospace. Die Reaktionsräder, die für eine stabile Ausrichtung des Satelliten im Weltall sorgen, wurden von Rockwell Collins in Heidelberg gebaut.

Auf dem Weg zur neuen Datenautobahn

Neben der kommerziellen Nutzlast von Inmarsat bietet Alphasat I-XL zusätzlichen Platz für Technologien, die erstmals unter den besonderen Bedingungen des Weltalls im geostationären Orbit getestet werden sollen. Von den vier Nutzlasten, die zu Demonstrationszwecken mitfliegen, kommen zwei aus Deutschland: Ein Sternsensor der Firma Jena Optronik liefert hochgenaue Bahn- und Lageinformationen und unterstützt damit auch die präzise Ausrichtung des optischen Laser-Kommunikationsterminals (LCT). Im Auftrag des DLR hat die Firma Tesat federführend das LCT als Hochleistungsdaten(über)träger entwickelt und gebaut - auch in Vorbereitung für das europäische Datenrelaisübertragungssystem EDRS.

Auf Alphasat kommt ein modifiziertes LCT zum Einsatz: Es soll eine Datenmenge von 1,8 Gigabit pro Sekunde - das entspricht 130 DVDs pro Stunde - über eine sehr große Distanz von 45 000 Kilometern transportieren. Damit wird die Übertragung von Datenpaketen zwischen Satelliten im erdnahen Orbit zwischen 200 und 2000 Kilometern Höhe und denen im geostationären Orbit in rund 36 000 Kilometern Höhe möglich. Das LCT auf Alphasat-I-XL testet diese Übertragungsart. So soll der Megasatellit Daten der beiden europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel 1A und Sentinel 2A empfangen. "Mit dieser Technologiedemonstration made in Germany stößt Alphasat I-XL das Tor zum europäischen EDRS auf - einer Datenautobahn im All, bei der Informationen zwischen den Satelliten rund um die Uhr ausgetauscht werden können", veranschaulicht DLR-Vorstand Gruppe.

Seit mehreren Jahren werden Laser-Übertragungssysteme auf Satelliten getestet. Dem deutschen Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X gelang es erstmals 2007, mithilfe eines LCT Daten mit dem amerikanischen Satelliten NFIRE über eine Distanz von 5000 Kilometern mit einer Datenrate von 5,6 Gigabits pro Sekunde auszutauschen. Damit können 400 DVDs pro Stunde übertragen werden.

23.07.2013 - Eine neue Pumpe im All

Es ist kalt im Weltall – sehr kalt. Entfernt man sich nur weit genug von allen Himmelskörpern, dann ist die Temperatur nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt, der immerhin bei -273°C liegt.

Im Sonnensystem – und insbesondere auch in Erdnähe ist es freilich etwas wärmer, aber zumindest auf sonnenabgewandter Seite immer noch so kalt, dass man nicht vermuten würde, dass es Überhitzungsprobleme geben könnte. Aber gerade dies hat am Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen in den vergangenen Wochen starke Kopfschmerzen verursacht. Columbus, neben dem Automated Transfer Vehicle (ATV) einer der beiden Hauptbeiträge Europas zur Internationalen Raumstation, produziert kontinuierlich Wärme. Denn zum einen wird ein Grossteil der produzierten elektrischen Energie letztendlich in Wärmeenergie umgesetzt, und zum anderen sind auch die Astronauten selbst Wärmequellen. Diese Energie muss abgeführt werden, was durch einen internen Kühlwasserkreislauf realisiert ist, der sie seinerseits über Wärmetauscher an einen externen Ammoniakkreislauf überträgt, der letztendlich die Energie in das All abstrahlt.

Ohne Wärmeabführung wäre kein voller Betrieb des Columbusmoduls möglich – und nur ein vollständig aktives Forschungslabor kann seinem eigentlichen Zweck – der Forschung im Weltall – nachkommen. Wegen der zentralen Rolle des Kühlwasserkreislaufs an Bord sind alle wichtigen Aggregate hierfür zweifach vorhanden – das in der Raumfahrt übliche Konzept der Redundanz oder Fehlertoleranz: Selbst ein schwerwiegendes Problem darf nicht unmittelbar schwerwiegende Folgen haben.

Im Januar 2013 war es allerdings vorbei mit der Redundanz der Columbus-Kühlung: Auf ein vom Columbus-Kontrollzentrum geschicktes Kommando, was routinemässig die zweite, redundante Pumpe prüfen sollte, antwortete diese nicht wie erwartet. Eine erste Analyse der Experten gab dann zu großer Besorgnis Anlass: Die Signatur des Fehlers ließ befürchten, dass die Pumpe irreparabel verloren sein könnte. Dieses mögliche Szenario schränkte die Fehleruntersuchungsoptionen erheblich ein – es musste unter allen Umständen vermieden werden, durch die Tests der verdächtigen Pumpe das Risiko für einen Ausfall der Gesamtkühlung zu erhöhen. „Wir haben das Kühlwassersystem wie ein rohes Ei behandelt“, erinnert sich Sinje Steffen, eine der DLR-Expertinnen für Columbus. „Es war ein Teufelskreis: Jeder Test ist natürlich per Definition eine Abweichung vom Normalbetrieb – und jede Abweichung vom Normalbetrieb erhöhte natürlich das Risiko eines kompletten Ausfalls der Kühlung, nachdem wir über die tatsächlichen Problemursachen nur spekulieren konnten.“

Auch die NASA war durch die Situation alarmiert – werden doch in Columbus neben ESA-Experimenten nicht nur wichtige NASA-Experimente betrieben, sondern auch ein medizinisches Ultraschallgerät, was für die Gesundheit der Besatzung ein wichtiges Diagnostikwerkzeug ist, was jederzeit verfügbar sein sollte – aber natürlich auch ein funktionierendes Kühlsystem voraussetzt.

So einigte man sich auf einen aufwändigen, aber wichtigen Test: Mittels einer komplexen Prozedur wurde die Crew angeleitet, die verdächtige Wasserpumpe komplett aus dem Kühlkreislauf auszubauen, die Wasserleitungen „kurzzuschliessen“ und somit einen unabhängigen kleinen Kreislauf zu erzeugen. In diesem Kreislauf konnte jetzt versucht werden, die Pumpe zu aktivieren – was fehlschlug. Zumindest sah man jetzt klarer.

Eine weitere Hürde stellte sich den Flight Controllern in den Weg, als auch die aktive Wasserpumpe nicht mehr zuverlässig kommandiert werden konnte. Die Pumpe lief zwar weiterhin ohne Probleme, aber es konnten keine Einstellungen mehr verändert werden. Dies machte zusätzliche Tests mit der fehlerhaften Pumpe zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Die ESA entschloss sich daher, mit dem bereits für den Start beladene ATV-Transportraumschiff „Albert Einstein“ eine Reservepumpe mitzuschicken – glücklicherweise war eine dritte Pumpe gebaut worden, die nur noch getestet und für die Reise zur ISS vorbereitet werden musste. Ein Neubau des komplexen Aggregats hätte wohl Monate oder Jahre gedauert.

„Albert Einstein“ erreichte die Raumstation schließlich Mitte Juni – etwa einen halben Monat davor war auch der italienische Astronaut Luca Parmitano auf der ISS angekommen. Somit waren alle Gegebenheiten geschaffen, um die defekte Pumpe auszutauschen. Am Freitag, den 5. Juli war es endlich soweit: In einer mehrstündigen Operation baute der Italiener unter der Anleitung des Oberpfaffenhofener Teams die defekte Wasserpumpe aus, montierte das neue Gerät und testete es zunächst genau, bevor es in den Kühlwasserkreislauf integriert wurde. Nachdem dies erfolgreich abgeschlossen werden konnte, verband Parmitano die neue Wasserpumpe endgültig mit dem Kühlwasserkreislauf. Steffen verfolgte die aufregende Schicht im Kontrollraum: „ Luca hat seinen Teil sehr gut gemacht – wir sind froh, dass wir gerade ihn für diese komplexe Aufgabe an Bord hatten.“

Das erste Umschalten von der alten auf die neu eingebaute Wasserpumpe funktionierte dann ohne Probleme – die gute Vorbereitung zahlte sich aus. Eine ganze Woche lang wurde die neue Pumpe bis ins Detail geprüft, bevor sie für voll funktional erklärt werden konnte.

Nach der erfolgreichen Aktivierung ist der Wasserkreislauf nun wieder bereit sein für die kommenden Jahre – und das ehrgeizige Forschungsprogramm kann ohne Verzögerungen fortgesetzt werden. Bis zum nächsten Fehler, meint auch Sinje Steffen: „Das ist schliesslich unsere Aufgabe als Flight Control Team – das Unerwartete zu erwarten und letztendlich zu meistern. Das ist auch einer der Aspekte, der unseren Job jeden Tag wieder interessant macht.“

20.06.2013 - Kooperation mit der JAXA: Vom Asteroidenlander bis zum Brennkammer-Test

Präsident der japanischen Raumfahrtagentur JAXA zu Besuch beim DLR

Die Kooperationen zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der japanischen Raumfahrtagentur JAXA reichen von gemeinsamen Missionen zu Asteroiden über die Zusammenarbeit bei der Auswertung von Satellitendaten im Katastrophenfall bis hin zur Kooperation bei Techniken der Strömungskontrolle in Antriebsbrennkammern. Nun besuchte am 20. Juni 2013 erstmals der neue Präsident der JAXA, Dr. Naoki Okumura, das DLR.

"Das DLR arbeitet bereits in zahlreichen Projekten erfolgreich mit der JAXA zusammen", betont DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Johann-Dietrich Wörner. "Diese Kooperationen sind für beide Seiten sehr bereichernd, da beide Partner von den Kompetenzen des jeweils anderen profitieren und im Gegenzug ihre Fähigkeiten einbringen." Die Zusammenarbeit umfasst dabei sowohl Projekte in der Raum- als auch der Luftfahrt, aber auch den Austausch in den Bereichen Wissensmanagement und Administration.

Gemeinsame Missionen und Studien

Zur japanischen Hayabusa2-Mission beispielsweise, die 2014 zum Asteroiden 1999 JU 3 startet, steuert das DLR den Lander MASCOT bei, der auf dem Asteroiden aufsetzen und mit vier Instrumenten Messungen an verschiedenen Orten durchführen wird.  Auch bei der BepiColombo-Mission zum Merkur oder JUICE, der Mission zu den Monden des Jupiters, kooperieren DLR und JAXA ebenso wie bei der Messung der Weltraumstrahlung auf der Internationalen Raumstation ISS oder der Auswertung von Daten des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X unter anderem zum Erdbeben in Japan. Für eine Radarsatelliten-Mission im L-Band-Bereich erstellen die beiden Raumfahrtagenturen gemeinsam eine Machbarkeitsstudie, bei der die japanischen Wissenschaftler ihre Erfahrungen im L-Band einbringen und die Wissenschaftler des DLR unter anderem ihre Kompetenzen im Formationsflug mit den Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X. Im Forschungsbereich der Luftfahrt arbeiten DLR und JAXA gemeinsam an der Optimierung einer Analyse-Software zur Darstellung der Aeroelastik flexibler Transportflugzeuge. In den Anlagen des DLR wurden zudem Brennkammern der JAXA getestet. Auch das im Februar 2013 eröffnete Büro des DLR in Tokio soll die Partnerschaft mit Japan in den verschiedenen Forschungsbereichen unterstützen und stärken.

Bei seinem Besuch in Köln waren diese und zukünftige Projekte Thema der Gespräche mit JAXA-Präsident Dr. Naoki Okumura. Anschließend besichtigte die japanische Delegation die Forschungsanlage :envihab des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, die Anlagen des DLR-Instituts für Antriebstechnik, die Kontrollräume des Nutzerzentrums für Weltraumexperimente (MUSC) im DLR sowie das europäische Astronautenzentrum EAC.

15.07.2013 - Mapheus-4: Röntgenaufnahmen aus der Schwerelosigkeit

DLR startet Höhenforschungsrakete mit Experimenten der Materialphysik

Fast vier Minuten Schwerelosigkeit herrschten in der Höhenforschungsrakete Mapheus-4, die am 15. Juli 2013 um 7.53 Uhr vom schwedischen Raketenstartplatz Esrange startete. An Bord: zwei materialphysikalische Experimente des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Unter Weltraumbedingungen zeichnete erstmals eine Röntgenröhre die Diffusion von Aluminium und Nickel noch während des Flugs auf. Zudem untersuchten die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum, wie sich granulare Gase in der Schwerelosigkeit verhalten. Durchgeführt wurde der Start vom Team der Mobilen Raketenbasis (MORABA) des DLR.

Gerade einmal 83 Sekunden nach dem Start waren die richtigen Bedingungen für den Experimentstart erreicht - im Inneren der Höhenforschungsrakete konnten von nun an die Experimente MIDAS (Measuring InterDiffusion in Alloys and Semiconductors) und MEGraMA (Magnetically Excited Granular Matter) ohne die störenden Einflüsse der Gravitation ablaufen. Die Rakete flog dabei bis in eine Höhe von über 154 Kilometern.

Experimente in der Schwerelosigkeit

Bereits vor dem Start hatte ein kleiner Ofen die sechs Materialproben, die aus unterschiedlichen Anteilen von Aluminium und Nickel bestanden, auf  900 Grad Celsius vorgeheizt. Seine Premiere hatte der Ofen bereits auf der Mapheus-3-Mission im November 2012, bei dem die Wissenschaftler seinen Einsatz auf einer Höhenforschungsrakete testeten. Nach Eintritt der Schwerelosigkeit wurden unterschiedliche Metallproben durch eine Bewegung im Inneren des Ofens miteinander in Kontakt gebracht, um so die geschmolzenen Aluminium-Nickel-Proben diffundieren zu lassen. Die kompakte und vollständig gegen Strahlungsaustritt abgeschirmte Röntgenradiographieanlage nahm dabei pro Sekunde eine Aufnahme in Echtzeit auf. "Die Diffusion in metallischen Flüssigkeiten ist ein Prozess, der bis heute noch nicht zu 100 Prozent verstanden ist", sagt Dr. Florian Kargl, wissenschaftlicher Projektleiter für die Mapheus-4-Mission. Die gewonnenen Daten aus der Schwerelosigkeit werden mit Modellrechnungen und Daten aus dem irdischen Labor verglichen; diese Ergebnisse können unter anderem dazu beitragen, in der Industrie Gießprozesse beispielsweise von Turbinenschaufeln zu optimieren.

Um das Verhalten von granularen Gasen besser zu verstehen, schickten die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum kleine Metallkügelchen in die Schwerelosigkeit. Während des Fluges wurden diese von vier Magneten zur Bewegung angeregt - zwei  Hochgeschwindigkeitskameras zeichneten anschließend mit zu bis 500 hochaufgelösten Bildern pro Sekunde auf, wie die Teilchen gegeneinander stießen und welchen zeitlichen Verlauf die Geschwindigkeitsverteilung nahm. Mit den Ergebnissen können die Forscher analysieren, wie granulare Gase - zum Beispiel Schüttgut wie Pillen - dichter und stabiler gepackt werden können. "Die Schwerelosigkeit beim Flug mit der Höhenforschungsrakete erlaubt es uns, diese Vorgänge zu untersuchen, ohne dass sich die Teilchen durch den Einfluss der Schwerkraft ablagern."

Bergung mit dem Hubschrauber

Nach dem insgesamt zehnminütigen Flug landete der Behälter mit den Experimenten an Bord in rund 60 Kilometern Entfernung vom Startplatz und wurde mit einem Hubschrauber geborgen. Für die Konzeption der einstufigen Trägerrakete und den Missionsbetrieb war die Abteilung Mobile Raketenbasis des DLR verantwortlich. Nach den erfolgreichen Vorgängerflügen Mapheus-1 bis Mapheus-3 hatte sie den brasilianisch-deutschen Raketenmotor S30  für Mapheus-4 adaptiert, um die Nutzlastkapazität und die Flughöhe deutlich zu steigern. "Bei einer Gesamtnutzlastmasse von 272 Kilogramm erreichte Mapheus-4 eine Flughöhe von 154 Kilometern" berichtet Frank Scheuerpflug, verantwortlich für die Mapheus-Mission bei der MORABA,  nach dem Flug.

Die Wissenschaftler und Ingenieure des Mapheus-Teams können nun bereits auf die Resultate und Erfahrungen von vier ergebnisreichen Flügen zurückblicken. "Mapheus ist ein hervorragendes Beispiel für hochaktuelle Materialforschung unter Schwerelosigkeit, die von der Effizienz und Flexibilität der Forschungsraketen profitiert", betont Projektleiter Martin Siegl vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. Das Mapheus-Programm wird im kommenden Jahr fortgesetzt.

20.06.2013 - Kooperation mit der JAXA: Vom Asteroidenlander bis zum Brennkammer-Test

Präsident der japanischen Raumfahrtagentur JAXA zu Besuch beim DLR

Die Kooperationen zwischen dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der japanischen Raumfahrtagentur JAXA reichen von gemeinsamen Missionen zu Asteroiden über die Zusammenarbeit bei der Auswertung von Satellitendaten im Katastrophenfall bis hin zur Kooperation bei Techniken der Strömungskontrolle in Antriebsbrennkammern. Nun besuchte am 20. Juni 2013 erstmals der neue Präsident der JAXA, Dr. Naoki Okumura, das DLR.

"Das DLR arbeitet bereits in zahlreichen Projekten erfolgreich mit der JAXA zusammen", betont DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Johann-Dietrich Wörner. "Diese Kooperationen sind für beide Seiten sehr bereichernd, da beide Partner von den Kompetenzen des jeweils anderen profitieren und im Gegenzug ihre Fähigkeiten einbringen." Die Zusammenarbeit umfasst dabei sowohl Projekte in der Raum- als auch der Luftfahrt, aber auch den Austausch in den Bereichen Wissensmanagement und Administration.

Gemeinsame Missionen und Studien

Zur japanischen Hayabusa2-Mission beispielsweise, die 2014 zum Asteroiden 1999 JU 3 startet, steuert das DLR den Lander MASCOT bei, der auf dem Asteroiden aufsetzen und mit vier Instrumenten Messungen an verschiedenen Orten durchführen wird.  Auch bei der BepiColombo-Mission zum Merkur oder JUICE, der Mission zu den Monden des Jupiters, kooperieren DLR und JAXA ebenso wie bei der Messung der Weltraumstrahlung auf der Internationalen Raumstation ISS oder der Auswertung von Daten des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X unter anderem zum Erdbeben in Japan. Für eine Radarsatelliten-Mission im L-Band-Bereich erstellen die beiden Raumfahrtagenturen gemeinsam eine Machbarkeitsstudie, bei der die japanischen Wissenschaftler ihre Erfahrungen im L-Band einbringen und die Wissenschaftler des DLR unter anderem ihre Kompetenzen im Formationsflug mit den Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X. Im Forschungsbereich der Luftfahrt arbeiten DLR und JAXA gemeinsam an der Optimierung einer Analyse-Software zur Darstellung der Aeroelastik flexibler Transportflugzeuge. In den Anlagen des DLR wurden zudem Brennkammern der JAXA getestet. Auch das im Februar 2013 eröffnete Büro des DLR in Tokio soll die Partnerschaft mit Japan in den verschiedenen Forschungsbereichen unterstützen und stärken.

Bei seinem Besuch in Köln waren diese und zukünftige Projekte Thema der Gespräche mit JAXA-Präsident Dr. Naoki Okumura. Anschließend besichtigte die japanische Delegation die Forschungsanlage :envihab des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, die Anlagen des DLR-Instituts für Antriebstechnik, die Kontrollräume des Nutzerzentrums für Weltraumexperimente (MUSC) im DLR sowie das europäische Astronautenzentrum EAC.

13.06.2013 - Brückenschlag zwischen Erde und All: Forschung für den Menschen

Die Zulassungsbeschränkungen sind hart: Nur wer schon einmal die Erde  aus der Erdumlaufbahn betrachten konnte, darf Mitglied werden. Zur Association of Space Explorers (ASE) gehören rund 400 Raumfahrer aus 35 Ländern. Mehr als 80 von ihnen werden vom 1. bis zum 5. Juli 2013 in Köln versammelt sein, um am 26. "Planetaren Kongress" teilzunehmen, den dieses Jahr das Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die ASE  ausrichtet. In derselben Woche - am 5. Juli 2013 - eröffnet mit dem ":envihab" des DLR eine weltweit einzigartige Forschungsanlage, in der die Wissenschaftler unter exakt kontrollierbaren Umweltbedingungen unter anderem die Isolationsbedingungen von Langzeitmissionen ins Weltall simulieren können. Im Anschluss daran organisiert das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin vom 7. bis 12. Juli 2013 den 19. "Humans in Space"-Kongress, der sich mit der Verbindung von Raumfahrtforschung und der irdischen Medizin beschäftigt.

ASE: Faszination für die Raumfahrt wecken

Der deutsche ESA-Astronaut Reinhold Ewald ist sich aus eigener Erfahrung sicher: "Der Mensch ist wie für den Weltraum geschaffen und kann dadurch den Weltraum auch für die Forschung nutzen." 1997 führte er Experimente an Bord der russischen Raumstation MIR durch. Um Faszination und Nutzen der Raumfahrt der Öffentlichkeit zu vermitteln, veranstaltet die ASE jedes Jahr in einem anderen Land ihren Kongress. "Astronauten und Kosmonauten sind die besten Botschafter für die Forschung im Weltraum", betont Ewald, Vorstandsmitglied der ASE und in diesem Jahr der einladende Astronaut, der seine Kollegen nach Deutschland bringt. Zum Programm gehören dabei Fachsitzungen in Köln, Aachen und Bonn sowie deutschlandweit Vorträge an verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen, Treffen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft, Publikumsdiskussionen und vor allem Gespräche mit Schulklassen wie beispielsweise in den DLR-School_Labs in Bremen, Berlin oder Köln.

Weltweit einzigartige Forschungsanlage :envihab

Die aktuelle Forschung, bei der die Medizin im Weltall und auf der Erde im Mittelpunkt steht, ist dann am 5. Juli 2013 mit der Eröffnung der DLR-Forschungsanlage :envihab Thema: ":envihab ist sozusagen das irdische Schwester-Labor zur Internationalen Raumstation ISS", sagt Prof. Rupert Gerzer, Leiter des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin. Das Gebäude vereint verschiedene Geräte und Anlagen, die Studien unter exakt kontrollierbaren Bedingungen ermöglichen. Kernstück der Anlage ist eine Zentrifuge, die eine Beschleunigung bis zur sechsfachen Schwerkraft ermöglicht, und unter anderem auch während der Probandenfahrt Ultraschall-Bilder aufnehmen kann. Ein Schlaflabor bietet Raum für zwölf Probanden, um dort Isolationsstudien über einen längeren Zeitraum durchführen zu können. Ein Magnetresonanztomographie-Gerät gehört ebenso zur Ausstattung wie ein Physiologie-Labor und ein Druckbereich, in dem Höhen bis zu 5500 Metern simuliert werden können. "Die Einrichtung ist in dieser Ausstattung weltweit einzigartig", betont DLR-Institutsleiter Prof. Rupert Gerzer. Erste kleinere Studien sollen die neuen Anlagen erproben, die erste Großstudie ist für 2014 vorgesehen. An der Eröffnung des :envihab nehmen alle bereits geflogenen deutschen Astronauten teil sowie Alexander Gerst, der im Mai 2014 zur Internationalen Raumstation starten wird.

Von der Weltraumforschung zur Medizin auf der Erde: "Humans in Space"-Symposium

Die Verbindung von Forschung in solchen Einrichtungen auf der Erde und der Forschung im Weltraum ist Thema des 19. "Humans in Space"-Symposiums, das das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin vom 7. bis 12. Juli 2013 in Köln organisiert. "Unser Hauptziel ist es, in Zukunft das große Potential der Weltraumforschung dafür zu nutzen, grundlegende wissenschaftliche Fragen zu beantworten", betont Prof. Rupert Gerzer vom DLR. Das Spektrum der wissenschaftlichen Veranstaltung reicht von Astrobiologie über Psychologie, von Weltraumtourismus bis hin zu den Erkenntnissen, die aus der Mars500-Mission gewonnen werden konnten. Zur Eröffnung werden die Gewinner des internationalen Jugend-Kunst-Wettbewerbs vorgestellt. Dazu hatten Jugendliche im Alter von zehn bis 18 Jahren Werke zum Thema "Wie wird der Mensch Wissenschaft und Technologie nutzen, um den Weltraum zu erkunden und welche Rätsel werden wir lösen?" eingereicht.

10.06.2013 - "Aktion 42": Weltraumforschung mit Zahnseide und Senf

DLR, ESA und Stiftung Jugend forscht starten außergewöhnlichen Schülerwettbewerb

Senf, Taschenlampe, Zahnseide, Wattestäbchen. Auf der Erde ist so etwas alltäglich, im Weltall kann daraus allerdings ein spannendes Experiment in der Schwerelosigkeit werden. Der Experimentator steht schon fest: Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst wird im Mai 2014 zur Internationalen Raumstation ISS fliegen und mit vielen Experimenten schwebend forschen. Ab sofort wird nach der zündenden Idee gesucht, welches Experiment man aus solchen alltäglichen Dingen entwickeln könnte. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die europäische Weltraumorganisation ESA rufen gemeinsam mit der Stiftung Jugend forscht e.V. bundesweit Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren auf, sich mit ihrem Vorschlag am Ideenwettbewerb "Aktion 42" zu beteiligen.

Dass das Schülerprojekt "Aktion 42" heißt, hat seinen Grund: Um die Experimente zu entwickeln, dürfen die Schüler nur aus einer Liste mit 42 Gegenständen auswählen. "Der Platz auf der Internationalen Raumstation ISS ist begrenzt – also müssen alle Experimente sorgfältig und effektiv zusammengestellt werden", erläutert DLR-Wissenschaftler Dr. Matthias Sperl, verantwortlich für das Schüler-Experiment. Alle Gegenstände auf der Liste sind zudem Objekte, die in dieser Form bereits schon einmal an Bord der ISS verwendet wurden und gelten somit als weltraumtauglich. Dabei ist die Zahl der Dinge, die für den jeweiligen Versuch zum Einsatz kommen, freigestellt – es können beispielsweise fünf oder acht oder zwölf sein. Auch müssen sie nicht so wie üblich genutzt werden: Zahnseide lässt sich zu einem dünnen Ring formen, mit dem man einen schwebenden Wassertropfen einfängt, Stifte kann man mit Klebeband zu einem Stativ montieren und vielleicht ergeben ja mehrere Wattestäbchen zusammen mit einem Gummi einen aufziehbaren Propeller. Pünktlich zum Weltraumeinsatz von Astronaut Alexander Gerst wird dann ein Box mit allen benötigten Utensilien in der Internationalen Raumstation ISS bereitstehen.

Faszination für Forschung und Naturwissenschaften

Bis zum 10. August 2013 haben die Schülerinnen und Schüler Zeit, ihre Vorschläge einzureichen. Mitmachen darf, wer 15 Jahre alt ist oder es in diesem Jahr noch wird. Man kann sich einzeln oder mit maximal drei Schülern im Team bewerben. Das Ziel des Ideenwettbewerbs: "Wir wollen die Schüler dazu anspornen, selbst kreativ Experimente für einen Versuch in der Schwerelosigkeit zu entwickeln - und dadurch wecken wir hoffentlich eine Faszination für Forschung und Naturwissenschaften", sagt DLR-Projektleiter Sperl.

Unter allen Einsendungen wählt eine Jury die originellste Experiment-Idee aus und lässt sie von Alexander Gerst während seiner Weltraummission durchführen. Für die Gewinner steht dann zudem noch ein Treffen mit dem deutschen ESA-Astronauten nach seiner Rückkehr aus dem All an. Die fünf besten Teams werden im Mai 2014 außerdem zu einer Startveranstaltung der Alexander-Gerst-Mission in Deutschland eingeladen. Die Liste mit allen 42 Gegenständen, die für die Experimente verwendet werden dürfen, sowie mit einigen weiteren Bordinstrumenten auf der ISS, die man ebenfalls nutzen darf, ist auf den Sonderseiten des DLR-Jugendportals "DLR_next" zu finden. Dort erfolgen auch die Anmeldung sowie die Abgabe der Experiment-Vorschläge. Ein Help-Desk antwortet per E-Mail auf die Fragen der Schülerinnen und Schüler.

Mit der "Aktion 42" kommt also ein weiteres kleines Arbeitspaket auf Astronaut Alexander Gerst zu. Wenn er ab Mai 2014 für sechs Monate auf der Internationalen Raumstation forscht und lebt, gehören viele Experimente aus den unterschiedlichsten Bereich zu seinem Arbeitsalltag: Neben Experimenten zu den materialphysikalischen Eigenschaften von Werkstoffen wird er auch medizinische Versuche durchführen oder auch biologische Untersuchungen betreuen. Alexander Gerst ist neugierig auf das zusätzliche Experiment der "Aktion 42": "Ich bin sehr gespannt, wie das Experiment der Schüler aussehen wird, das ich dann in der Schwerelosigkeit durchführe".

06.06.2013 - ATV: "Albert Einstein" ist auf dem Weg zur ISS

Deutsche Kamera an Bord der Ariane-Rakete filmt Separation erstmals in 3D

Acht Tage nach dem Start der "Volare-Mission" mit dem ESA-Astronauten Luca Parmitano hat die europäische Weltraumagentur ihr viertes ATV-Versorgungsraumschiff auf den Weg zur Internationalen Raumstation gebracht: Um 23.52 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ, 18.52 Uhr Ortszeit) ist ATV-4 "Albert Einstein" am 5. Juni 2013 an Bord einer Ariane 5ES-Trägerrakete vom ESA-Raumfahrtzentrum in Französisch-Guayana zur ISS gestartet. Deutschland  baut die Raumtransporter und hat zudem ein 3D-Kamerasystem konstruiert, das erstmals seit 2006 den Start einer Ariane 5 und die Separation des ATV von Bord der Rakete aus dokumentieren soll.

Aufbruch in eine neue Dimension

Verborgen unter der Verkleidung der Ariane 5 befindet sich der wohl wichtigste Teil von Sterex (Stereo-Experiment): die beiden Videokameras, die die Separation von ATV-4 im Stereomodus aufnehmen und damit zum ersten Mal 3D-Bilder vom Aussetzen einer Nutzlast im Weltraum aufzeichnen sollen. Die an Bord der Trägerrakete gespeicherten Videodaten werden zur Bodenstation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Weilheim gesendet. "Rund acht Stunden nach dem Start wollen wir diese Daten so aufbereitet haben, dass sie zunächst in einem 2D-Video, später dann auch in 3D zu sehen sind", berichtet Thomas Ruwwe, Sterex-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement in Bonn. Den ATV-4-Start und den Einsatz des Kamerasystems verfolgt  der Ingenieur vom Raumfahrtzentrum der ESA in Kourou aus. Alle Tests sind gut verlaufen, trotzdem liegt bei so einer Premiere bis zuletzt Spannung in der Luft. Denn die Erwartungen sind hoch: "Wir versprechen uns von den Bildern aus dieser neuen Perspektive, die dynamischen Abläufe bis zur Trennung des ATV von der Ariane noch besser zu verstehen und analysieren zu können", erklärt Thomas Ruwwe. Die dritte der insgesamt vier Sterex-Kameras nimmt einen neuartigen Separationsmechanismus auf, der beim ATV-4-Start erstmals eingesetzt worden ist. Die vierte Kamera ist an der Außenwand  der Ariane 5 angebracht. "Diese soll den Start, die Separation der Booster und der Hauptstufe sowie das Zünden der Oberstufe aufnehmen", sagt Ruwwe.

Sterex ist ein vom DLR Raumfahrtmanagement und der europäischen Raumfahrtagentur ESA gefördertes Projekt, das für den Mitflug an Bord verschiedener Trägerraketen entwickelt wurde und beim ATV-4-Start zum ersten Mal im Einsatz ist. Ein Beschleunigungssensor aktiviert das System, die Aufnahmen, die Speicherung und die Datenübertragung werden automatisch gesteuert. Die Kamera hat eine maximale Auflösung von 720 mal 576 Pixel (PAL) und liefert maximal 25 Bilder pro Sekunde. Es sind seit 2006 die ersten Video-Aufnahmen eines Ariane-Starts, die an Bord der Rakete selbst aufgenommen werden sollen (weitere Informationen im Sterex-Faktenblatt auf der rechten Seite dieses Artikels).  

ATV: Das " Lastpferd" für die ISS

Seit 2008 hat sich die ESA mit drei eigenen Raumtransportern  - "Jules Verne" (2008), "Johannes Kepler" (2011) und "Edoardo Amaldi" (2012) -  an Versorgungsflügen zur Internationalen Raumstation ISS beteiligt: Die Automated Transfer Vehicle (ATV) dienen als Frachter, Lager und Antriebssystem für das  400 Kilometer über der Erde kreisende größte Forschungslabor im  All. "Das nach dem Schweizer Nobelpreisträger benannte ATV-4 soll am 15. Juni die Raumstation erreichen und automatisch am russischen Swesda-Modul andocken", berichtet Volker Schmid, Leiter der ISS-Fachgruppe im DLR Raumfahrtmanagement und Koordinator der deutschen ATV-Beiträge. Diese  waren vor allem in der Entwicklungsphase und bei der Produktionsvorbereitung  beachtlich: "Der Anteil deutscher Firmen und Forschungseinrichtungen, darunter auch das DLR, beträgt bei der Produktion etwa 50 Prozent. An der Entwicklungsphase hat sich Deutschland mit etwa 24 Prozent der Kosten beteiligt", berichtet der Ingenieur. 30 Unternehmen aus zehn europäischen Ländern sowie acht Firmen aus Russland und den USA liefern Bauteile und Komponenten für das mit knapp zehn Metern und gut 20 Tonnen längste, schwerste und leistungsfähigste Raumfahrzeug, das bislang in Europa gebaut worden ist. Vor ATV hat kein Raumfahrzeug dieser Größe und Masse vollautomatisch an die ISS angedockt.

ATV-4 Albert Einstein befördert dabei mehr Trockenfracht als seine Vorgänger: 2,5 Tonnen Experimente, Ersatzteile, Lebensmittel und Kleidung für die Besatzung  der ISS. "Hinzu kommen insgesamt 4,1 Tonnen Flüssigkeiten, darunter 100 Kilogramm Sauerstoff, Stickstoff und Luft, 570 Liter Trinkwasser, etwa 2,6 Tonnen Treibstoff für Bahnkorrekturen der ISS und  870 Kilogramm Treibstoff zum Nachtanken des Swesda-Moduls", ergänzt DLR-Experte Schmid.

28.05.2013 - Mission "Volare" beginnt

Seine Muskeln sind für die Wissenschaftler von Interesse, seine innere Uhr und auch die Strahlendosis, der er bei seiner Arbeit im Forschungslabor Columbus ausgesetzt sein wird - um 22.31 Uhr (MESZ, mitteleuropäischer Sommerzeit) startet der europäische Astronaut Luca Parmitano am 28. Mai 2013 vom Weltraumbahnhof Baikonur zur Internationalen Raumstation ISS. Für die Wissenschaftler fliegt damit sowohl ein Untersuchungsobjekt als auch ein Experimentbetreuer ins All, der ihnen wichtige Daten liefern soll. 14 Experimente werden dabei vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem DLR-Raumfahrtmanagement betreut. Den Kontakt zur Erde wird Parmitano während seiner Arbeit vor allem zum Columbus-Kontrollraum beim DLR in Oberpfaffenhofen halten.

Schwindende Muskelkraft im All und auf dem Boden

Gerade einmal sechs Stunden dauert der Flug, der Luca Parmitano gemeinsam mit US-Astronautin Karen Nyberg und dem russischen Kosmonauten Fjodor Jurtschichin zu seinem Arbeitsplatz im Weltraum bringen wird. Nach vier Erdumrundungen dockt das Sojus-Raumschiff an der Internationalen Raumstation an - und für Parmitano beginnen sechs arbeitsreiche Monate in der Schwerelosigkeit. Die ersten Experimente hat der Astronaut allerdings schon auf der Erde absolviert: Dazu gehörte, sich eine Gewebeprobe aus einem Muskel entnehmen zu lassen. "Mit dem Experiment Sarcolab wollen wir herausfinden, warum die Muskelkraft in Schwerelosigkeit so extrem nachlässt", erläutert Projektleiter Prof. Jörn Rittweger vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Im Weltall verlieren die Muskeln nicht nur Volumen, sondern vor allem überproportional ihre Kraft - trotz regelmäßigem Training. "Entweder wird jede einzelne Muskelfaser schwächer oder der gesamte Muskel verändert seinen Aufbau - dies sind mögliche Erklärungsansätze für Muskelschwund sowohl im All als auch auf der Erde." Mit umfangreichen Vergleichsmessungen vor und nach dem sechsmonatigen Aufenthalt des Astronauten im All will das Team herausfinden, warum die Kraft der Muskeln so schnell nachlässt.

Wie sich die Schwerelosigkeit auf den Aufbau und die Anatomie des Kniegelenkknorpels auswirkt, ist Thema eines weiteren deutschen Experiments, für das Luca Parmitano vor und nach dem Flug als Testperson dient. Das vom DLR-Raumfahrtmanagement geförderte und betreute Experiment "Cartilage" will mit den Untersuchungen neue Erkenntnisse über den Knochenstoffwechsel erhalten. Während auf der Erde die Schwerkraft das menschliche Bewegungssystem angemessen beansprucht, kann eine geringere Belastung - wie im Weltall oder bei einem längeren Krankenhausaufenthalt - sogar dieses Stützgewebe schädigen.

Die innere Uhr ist Untersuchungsgegenstand des deutschen Experiments "Circadian Rhythm": Während und nach seinem ISS-Aufenthalt wird mit dem Wärmesensor THERMOLAB die periodischen Veränderung der Körperkerntemperatur untersucht. Diese hat nämlich Einfluss auf die verschiedenen Systeme unseres Körpers, zum Beispiel den Schlaf, und beeinflusst Aufmerksamkeit und mentale Arbeitsleistung.

Forschungslabor mit Öfen und Strahlungsmessgeräten

Für die Materialphysiker wird Luca Parmitano die Öfen der Raumstation bedienen. Gleich für mehrere Experimente sollen verschiedene Aluminiumlegierungen in der Schwerelosigkeit aufgeschmolzen werden und anschließend wieder kristallisieren. Zurück auf dem Boden werden die erstarrten Proben dann vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum untersucht. Für das Experiment MICAST beispielsweise analysieren DLR-Wissenschaftler Prof. Lorenz Ratke und ein internationales Team Aluminiumlegierungen mit einem kleinen Anteil Eisen. "Gerade Eisen sorgt dafür, dass Aluminium bruchanfällig wird, weil es im Inneren eine Art hauchdünne Platten bildet." Versteht man solche Prozesse besser, könnte dies industrielle Gießprozesse zum Beispiel in der Autoindustrie optimieren.

Während Luca Parmitano im europäischen Forschungsmodul die verschiedenen Experimente bedient, werden 13 Detektorpakete die Strahlungsbelastung seiner Umgebung messen. Bereits seit einem Jahr analysieren die Geräte des Experiments DOSIS 3D des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, wie hoch die Strahlenexposition im fliegenden Labor ist. Ziel ist es, aus den Daten eine dreidimensionale Karte der Strahlenbelastung in der ISS zu erzeugen. Wichtig sind die Ergebnisse vor allem für spätere bemannte Raumfahrtmissionen, um eine gute Abschirmung zu ermöglichen.

Konferenzschaltung vom Kontrollzentrum ins Weltall

Die Ansprechpartner für Luca Parmitano bei seiner Arbeit im und am Forschungsmodul Columbus sitzen dabei im DLR Oberpfaffenhofen - rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Jeden Morgen und jeden Abend spricht das Team des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums dann mit der Besatzung der Raumstation. "Wir diskutieren die anstehenden Aufgaben für den Tag, Änderungen, auf die sich Luca Parmitano bei seiner Arbeit einstellen muss, und am Abend dann vielleicht noch offene Fragen, die wir an die Astronauten haben - wir sind regelmäßig in Kontakt", sagt Thomas Uhlig, einer der Flugdirektoren im Columbus-Kontrollzentrum. Sobald der europäische Astronaut zum Arbeitsalltag ins Forschungslabor schwebt, arbeiten das Team am Boden und der Mann im All zusammen. Als Flugingenieur ist Parmitano zum einen für die Experimente, zum anderen für Wartungs- und Reparaturarbeiten im Labor zuständig. "Dafür erhält er die Anweisungen aus unserem Kontrollraum."

Am 10. November 2013 soll der europäische Astronaut dann wieder nach 166 Tagen Forschung im Weltall und mehreren "Weltraumspaziergängen" zur Erde zurückkehren. "Ich bin sicher: Ich werde mit einer Erinnerung an etwas zurückkehren, die mich für das Leben verändert", sagt Luca Parmitano. Den Wissenschaftlern wird er etwas anderes mitbringen: Jede Menge Daten, die in den nächsten Monaten ausgewertet werden.

27.05.2013 - "Ein gewisses Maß an Stress ist notwendig"

Am 28. Mai 2013 beginnt für den europäischen Astronauten Luca Parmitano seine Mission "Volare" mit dem Start vom russischen Weltraumbahnhof in Baikonur. Für sechs Monate ist die Internationale Raumstation ISS dann sein Arbeitsplatz und sein Zuhause. Die 14 deutschen Experimente, die er in dieser Zeit betreut, werden dabei entweder vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt oder über das DLR-Raumfahrtmanagement gefördert und betreut. Im Interview berichtet Luca Parmitano von den Herausforderungen, die er in seinem Beruf sucht - und genießt.

Von Manuela Braun

Wenn man in Urlaub fährt, denkt man darüber nach, was man noch packen muss und was noch vor der Abreise zu erledigen ist. Sie werden für mehr als 100 Tage im Weltraum bleiben. Was sind Ihre letzten Vorbereitungen, und wie fühlen Sie sich vor Ihrer Reise in den Weltraum?

Mein Flug ins Weltall habe ich bisher noch nicht als Urlaub gesehen - für mich war es immer eine "Mission". So gesehen ist auch nicht viel vorzubereiten, ich bringe nicht viel auf die Raumstation mit. Es gab immer Leute, die mich gefragt und alles vorbereitet haben, was ich in der Station benötige. Das heißt, wenn ich dort ankomme, dann wird es schon Kleidung für mich geben, Essen, Laufschuhe, Schuhe für das Fahrradfahren. Alles ist bereits dort hingeschickt worden oder kommt an, während ich in der Raumstation bin. Die einzigen Sachen, die ich für meinen Flug noch einpacken muss, sind kleine Dinge wie Souvenirs, also meinen Ehering, Bilder von meiner Familie oder auch Dinge, die ich mit ins Weltall nehme, um damit später meine Freunde und Familie zu beschenken. Viel ist es also nicht, weil wir auch nur 1,5 Kilo persönliche Dinge im Sojus-Raumschiff mitnehmen dürfen.

Sie sind der Bordingenieur auf dieser Mission - was wird Ihre Hauptaufgaben an Bord der ISS sein?

Als Bordingenieur hat man viele verschiedene Aufgaben. Während des Starts ist der Bordingenieur der Co-Pilot des Sojus-Raumschiffs: Bei Start und Wiedereintritt unterstütze ich also den Commander. Er sitzt auf dem Mittelsitz, ich sitze links von ihm und bin verantwortlich für alle Systeme des Raumfahrzeugs. Der Commander übernimmt die Navigation, die Orientierung und die Sicherheit des Raumfahrzeugs. Ich bin derjenige, der die Motoren, die Navigationssysteme, die Computer und die lebenserhaltenden Systeme überwacht - die sind alle in meiner Verantwortung. Sobald wir in der Raumstation sind, ist der Flugingenieur wieder für eine Menge verschiedener Dinge zuständig. Wir sind zum Beispiel für die Wartung zuständig. Alles, was in der Station ersetzt werden muss, wird von uns erledigt. Wir sind auch verantwortlich für die Interaktion mit allen Experimenten, die auf der ISS sind. Zu jeder Zeit haben wir über 150 Experimente auf der Raumstation. Und über 100 von diesen müssen von der Crew betreut werden. Das nimmt - ich würde sagen - etwa 50 Prozent unserer Zeit ein, vor allem, wenn wir selbst zur gleichen Zeit auch der Untersuchungsgegenstand sind. Außerdem werden ich das Andocken des europäischen Transporters ATV-4 überwachen. Und ich werde auch für alle robotischen Anwendungen bei der Ankunft der anderen Raumtransporter zuständig sein. Schließlich sind noch zwei Weltraumspaziergänge - Extravehicular Activities - für mich geplant. Die werde ich zusammen mit meinem Kollegen Chris Cassidy durchführen.

Während Ihres Aufenthalts in der Raumstation ist es also ziemlich betriebsam: Der japanische Transporter HTV kommt an, das russische Progress-Raumschiff, das europäische ATV-4. Für Sie sind zwei EVAs geplant. Das sind alles Aufgaben, die eine schnelle und fehlerlose Arbeit von Ihnen verlangen. Zusätzlich zu Ihrem normalen Training: Wie bereiten Sie sich auf diese Aufgaben vor? Sind Sie eher ein entspannter Mensch von Natur aus oder werden Sie auch ein wenig nervös sein?

Vielleicht bin ich gar nicht die beste Person, um diese Frage zu beantworten - wahrscheinlich sollten Sie da eher meine Ausbilder fragen! Aber ja, ich würde sagen, dass ich ein entspannter Mensch bin. Ich bin zuversichtlich, dass die Ausbildung, die ich erhalten habe, alles vermittelt hat, was ich für eine gute Leistung brauche. Aber mein gesamter beruflicher Hintergrund ist sehr operationell: Als Pilot in den letzten 20 Jahren habe ich immer unter Hochdruck arbeiten müssen - man muss eine Aufgabe erledigen, und es muss gleich beim ersten Mal funktionieren. Das bedeutet aber jetzt auch nicht, dass ich nicht trotzdem ein wenig nervös sein werde. Ich glaube, ein gewisses Maß an Stress ist notwendig, um gut zu arbeiten - Stress erhöht die Konzentration, man ist sehr aufmerksam. Natürlich werde ich mich damit beschäftigen, mich mental vorbereiten, indem ich die Prozeduren noch einmal genau studiere. An Bord der Raumstation werde ich weiter trainieren und sicherlich auch mit den Kollegen sprechen, die einfach mehr Erfahrung als ich haben.

Sie werden zudem Experimente an Bord betreuen - die reichen von der kosmischen Strahlung bis zur Ernährungsstudie, von Experimenten in den Materialwissenschaften bis hin zu einem Experiment, mit dem der Abbau von Muskeln in der Schwerelosigkeit untersucht wird. Wie viel wissen Sie über den  wissenschaftlichen Hintergrund all dieser Experimente, und welche Experimente sind für Sie persönlich am spannendsten?

Wir bekommen so viele Hintergrundinformationen, wie wir wollen. Ganz wichtig ist, dass wir Kontakt mit den Projektleitern dieser Experimente haben. Wir telefonieren oder mailen, wir treffen die Wissenschaftler und können Fragen stellen. Das ist sehr interessant - vor allem für mich, weil ich nicht so einen wissenschaftlichen Hintergrund habe. Ich habe mich für alle physiologischen Experimente gemeldet. Was wir heute über die Physiologie im Weltraum lernen, also über das, was mit unserem Körper in Schwerelosigkeit geschieht, ist absolut unverzichtbares Wissen für Missionen in der Zukunft. Wir müssen wissen, was mit uns geschieht, wenn wir die niedrige Erdumlaufbahn einmal verlassen wollen. Also ich freue mich persönlich vor allem auf die Versuche, die irgendwie mit dieser Art von Forschung, mit der Weltraum-Physiologie, zusammenhängen. Es gibt zum Beispiel eine Diät als Experiment. Die Idee hinter dieser Diät ist, dass wir den Verlust von Kalzium aus unseren Knochen, der während der Zeit in der Schwerelosigkeit geschieht, ausgleichen können - und das ist auch auf der Erde wichtig, wo Menschen unter Osteoporose leiden. Auch der Sport, den wir auf der Raumstation treiben, ist ein wichtiger Teil der Experimente. Wir schauen, wie unsere Muskeln reagieren, während wir im Orbit sind. Allerdings gibt es auch Experimente, die mehr technologisch ausgerichtet sind. Zum Beispiel "Green Air", ein Forschungsprojekt zu Biokraftstoffen. Die Studie wird sich darauf konzentrieren, wie die giftigen Überreste der Verbrennung reduziert werden können. Es ist ein italienisches Experiment, und ich bin sehr stolz darauf.

Um sich auf die Mission vorzubereiten, mussten Sie eine ganze Menge lernen: Sie mussten für die Durchführung der unterschiedlichen Experimente ausgebildet werden, für das Greifen nach dem japanischen HTV und für das Monitoring, wenn das ATV-4 ankommt. Es gab Überlebenstrainings, und Sie mussten Russisch lernen. Was hat Ihnen davon am besten gefallen, und welchen Teil der Ausbildung fanden Sie eher schwierig?

Als Astronaut sind es gerade die Herausforderungen, die man sucht. Wenn alles, was ich lernen musste, mir in den Schoß gefallen wäre, wäre es fast langweilig gewesen. Ehrlich gesagt: Alles, was wir lernen, kann sehr hart sein - umso härter es ist, desto zufriedener ist man, wenn man die Aufgabe gemeistert hat. Ich muss zugeben, dass ein großer Teil der Ausbildung wirklich Spaß gemacht hat. Spaß, weil man sich anstrengen musste. Das Sojus-Raumfahrzeug in einem manuellen Modus zu fliegen ist zum Beispiel sehr anspruchsvoll. Wir müssen auch zeigen, dass wir das Raumschiff sicher an der Raumstation andocken können und dass wir auch wieder auf der Erde landen können. Ein Weltraumspaziergang unter Wasser - in einem unter Druck stehenden Raumanzug - ist körperlich enorm anstrengend, da braucht man volle Konzentration. Das sind alles schwierige Trainingsaufgaben, aber es ist auch der Teil der Ausbildung, der mir am meisten Spaß gemacht hat. Für das robotische Training zum Beispiel braucht man eine Menge Geschick. Es ist ein bisschen wie Gymnastik fürs Hirn, weil wir über Kameras auf einen Roboterarm blicken und uns aus verschiedenen Aufnahmen dann in unserem Kopf ein dreidimensionales Bild basteln müssen. Ich habe alles, was ich in den letzten 4,5 Jahren getan habe, furchtbar genossen. Seitdem ich Astronaut geworden bin, habe ich nicht aufgehört, Neues zu lernen.

Sie haben bereits das Columbus-Kontrollzentrum im DLR in Oberpfaffenhofen besucht und die Mannschaft getroffen, die mit Ihnen während Ihrer Mission in Kontakt sein wird. Das DLR-Nutzerzentrum für Weltraumexperimente in Köln wird ebenso ein Teil der Mission sein wie sechs weitere Zentren in Europa und natürlich der NASA-Kontrollraum. Sie werden also mit einem ganzen Netzwerk von Menschen weltweit zusammenarbeiten - und sind auf eine gewisse Weise auch von Ihnen abhängig. Wie viel Vertrauen ist notwendig, und wie bauen Sie diese Beziehung auf?

Sie haben völlig Recht: Wir hängen von diesen Menschen ab! Ich wäre nicht in der Lage, meine Arbeit zu tun, wenn es nicht die Unterstützung all dieser Menschen gäbe. Sie sind fast unsichtbar hinter den Kulissen, aber sie sind sehr wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als die Astronauten, die all die Sichtbarkeit bekommen. Wie baue ich eine Beziehung zu ihnen auf? Ganz einfach: Während meiner Ausbildung treffen wir einander und reden miteinander. Wir lernen, einander zu vertrauen und auch auf die Erfahrung zu vertrauen, die jeder mitbringt. Ich weiß, dass sie alle sehr verantwortungsbewusst sind, ich weiß, dass sie all ihre Anstrengungen in ihre Aufgaben stecken. Und das reicht mir, um zu wissen, dass es jemanden gibt, der sich um mich und meine Sicherheit kümmert.

Sie sind der erste Astronaut der Europäischen Astronauten-Klasse von 2009, der im Weltall arbeiten wird. Der deutsche Astronaut Alexander Gerst und die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti werden im Jahr 2014 folgen. Werden Sie die beiden nach Ihrer Rückkehr bei ihrer Ausbildung unterstützen?

Nach meiner Rückkehr ist erst einmal ein halbes Jahr für meine Rehabilitation von meinem Sechs-Monats-Flug geplant. Es wird also ein wenig zu spät sein, um Alexander noch zu helfen. Wenn ich wieder im Einsatz bin, wird Alexander sich bereits in Russland für seinen eigenen Flug vorbereiten. Samantha aber werde ich sicherlich noch bei ihrem Training mit meiner Erfahrung helfen können.

Einige ehemalige Kollegen von Ihnen - zum Beispiel der kanadische Astronaut Chris Hadfield oder der japanische Astronaut Soichi Noguchi - haben eine Menge Fotos und Videos von ihrem Aufenthalt im Weltraum zur Erde geschickt. Wie werden Sie in Kontakt mit der Erde bleiben, und was werden Ihre Hobbys in der Raumstation sein?

Chris Hadfield ist ein erfahrener Astronaut, er hat bereits drei Flüge auf dem Buckel und ist eine unglaublich talentierte Person - sowohl in der Kommunikation als auch beim Gesang. Ich werde gar nicht erst versuchen, mit jemanden mit diesem Niveau gleichzuziehen. So zu kommunizieren gehört nicht zu meinen Talenten. Aber ich mag Musik, und auf der ISS haben wir eine Gitarre und ein Keyboard - ich überlege, ein wenig darauf zu spielen. Das aber dann vor allem zu meinem eigenen Vergnügen.

Sie stehen kurz vor dem Start: Auf welchen Moment während Ihrer Mission freuen Sie sich besonders?

Ich bin ein "rookie", das heißt ein absoluter Anfänger, alles wird neu für mich sein, alles eine Überraschung. Der Start. Im All zu leben. Die Raumstation zu betreten. Die Erde zu sehen. Beim Weltraumspaziergang außerhalb der Raumstation zu schweben. Ich habe mein ganzes Leben von so etwas geträumt. Ich bin sicher: Ich werde mit einer Erinnerung an etwas zurückkehren, die mich für das Leben verändert. Ich freue mich darauf, diese Erfahrung zu genießen, dort oben zu sein und mir einen Traum zu erfüllen, den ich schon so eine lange Zeit habe.

10.05.2013 - REXUS 13 und 14 - Studenten starten Experimente zu Weltraummüll und -strahlung

Wie kann Weltraummüll schneller entsorgt werden? Wie ist das Weltraumwetter? Am 9. Mai 2013  startete um 6.00 Uhr MESZ vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Schweden die REXUS-13-Forschungsrakete mit vier Studenten-Experimenten an Bord, um diese und andere Fragen zu klären. Die Schwesterrakete REXUS 14 war bereits zwei Tage zuvor, am 7. Mai um 6.00 Uhr MESZ abgehoben. Die Doppelkampagne, an der rund 50 Studenten aus Deutschland, Schweden, Großbritannien, der Schweiz und Ungarn mit ihren selbst geplanten und gebauten Experimenten teilnahmen, ist Teil des Studentenprogramms REXUS/BEXUS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der schwedischen Raumfahrtbehörde SNSB.

Die Flugdauer der knapp sechs Meter langen einstufigen Raketen vom Typ "Improved Orion" dauerte von der Zündung bis zur Landung der Nutzlast rund zehn Minuten. Sie erreichten dabei Höhen von etwa 83 (REXUS 13) und 82 (REXUS 14) Kilometern, also die Grenze zum Weltraum. 

Weltraummüll soll schneller entsorgt werden

Nach Ende ihrer Lebenszeit werden Satelliten aufgegeben. Als "Weltraummüll" fristen Sie dann ihr Dasein im Weltall und stellen eine Kollisionsgefahr für aktive Raumfahrzeuge dar. Die beiden Teams Space Sailors der RWTH Aachen und Strathsat-R der Universität Strathclyde (UK)  haben sich Gedanken darüber gemacht, wie dieser Weltraumschrott schneller entsorgt werden kann. Aufgrund der Abbremsung durch die "Restatmosphäre" fallen die ausrangierten Satelliten zur Erde zurück, wo sie in der Atmosphäre verglühen. Der Vorgang dauert abhängig von der Höhe ihrer Umlaufbahn viele Jahre. Für ihren Ansatz haben sich die Studenten folgenden Umstand zu Nutzen gemacht: Wird der Querschnitt des Satelliten vergrößert, erhöht sich die Bremswirkung, und der Abstieg erfolgt schneller. Deshalb testen die Studenten auf REXUS an Kleinstsatelliten  - Würfeln mit zehn Zentimetern Kantenlänge -  wie sich unter Weltraumbedingungen verschiedenartige Schirme oder Segel aus den Satelliten entfalten lassen.

Studenten testen neue Techniken für den Einsatz bei Raumfahrtmissionen

Die Studenten des CERESS-Teams der TU München haben die REXUS-Experimente ihrer Vorgänger analysiert und festgestellt, dass viele Experimentfunktionen immer wieder benötigt werden. Dazu gehören etwa
eine geregelte Stromversorgung, Datenspeicherung, Steuerung und Kontrolle des eigentlichen Experiments, Echtzeit-Kommunikation sowie eine Standard-Verbindung zum Raketensystem und zum Boden. Darüber hinaus werden oft Echtzeitbilder, Beschleunigungsdaten, Temperatur- und Druckwerte vom Flug benötigt. Die Studenten haben daher eine Plattform mit diesen Funktionen gebaut, die nun während des Flugs getestet wird und nachfolgenden Teams eine stärkere Konzentration auf das eigentliche Experiment ermöglichen soll.

Mit dem SOLAR-Experiment wollen die Studenten der Technischen Universität Luleå, Schweden, die Reparaturmöglichkeiten auf Weltraummissionen verbessern.  Ihr Experiment soll beweisen, dass in Schwerelosigkeit keine qualitätsmindernden Gaseinschlüsse (Lunker) in den Lötstellen zurückbleiben, wenn das Löten bei niedrigem Druck geschieht.  Die Studenten werden die Lötstellen nach der Rückkehr des Experiments unter Röntgenstrahlung genau analysieren.

In einem Tank sammelt sich der Treibstoff aufgrund der Schwerkraft am Boden und gelangt dort über den Tankausfluss und die Treibstoffleitungen zum Motor. In Schwerelosigkeit hingegen bilden sich in der Flüssigkeit Blasen, sobald der Tank nicht mehr komplett gefüllt ist. Diese können sich dann vor den Ausfluss setzen und die Treibstoffversorgung unterbrechen. Aufgrund der Oberflächenspannung des Treibstoffes kann dieser jedoch durch eine Lamellenstruktur am Boden eines Tanks wie in einem Schwamm festgehalten werden. Das CAESAR-Team von der Fachhochschule Westschweiz, hat vier solche "Schwämme" mit radial angeordneten Lamellen auf eine Zentrifuge gesetzt. Sie werden mit verschiedenen Mengen Flüssigkeit gefüllt und mit vier unterschiedlichen, geringen Beschleunigungen gedreht. Die Studenten beobachten mit Kameras, wie sich die Flüssigkeiten unter diesen Bedingungen zwischen den Lamellen verhalten. Mit den experimentellen Daten wollen die Studenten theoretische Ansätze überprüfen und dazu beitragen, die Strukturen von Treibstofftanks für die Raumfahrt zu verbessern

Wie ist das Weltraumwetter?

Das Team MUSCAT vom Royal Institute of Technology (KTH), Schweden, testet ein neues Messprinzip. Während des Flugs werden vier kugelförmige Sonden aus der Rakete freigesetzt, die mit GPS ausgestattet sind. Aus den Positionsdaten, die während des freien Falls gemessen werden, können in Kombination mit Berechnungsmethoden aus der Fluidmechanik über den Luftwiderstand die Temperaturen in der Atmosphäre an mehreren Stellen gleichzeitig ermittelt werden.

Von mehreren englischen Universitäten kommen die Studenten des PoleCATS Teams. Sie überprüfen ein neues Konzept für ein miniaturisiertes Instrument, das Elektronenflüsse und Energien in einer Höhe oberhalb von 70 Kilometern misst. Wissenschaftliche Daten stehen beim Gekko-Team im Vordergrund. Die Studenten messen mit Hilfe von speziellen Kondensatoren, wie sich die elektrische Leitfähigkeit der Atmosphäre in Abhängigkeit von der Höhe ändert.  Dies ist in  der Nähe der Pole besonders interessant, da dort das Magnetfeld der Erde die ionisierende Weltraumstrahlung wenig abschirmt. Hierfür ist die Lage des Startplatzes Kiruna am Nordpolarkreis besonders geeignet.

Der Vorfallschirm bremst den Aufprall der Nutzlast

Die Landung der Nutzlast erfolgt am Fallschirm. Obwohl sich bei REXUS 13 der Hauptfallschirm nicht öffnete, konnte der Vorfallschirm die Nutzlast soweit abbremsen, dass die Raketenmodule beim Aufprall unbeschädigt blieben. Lediglich die Raketenspitze, die als Knautschzone wirkte, wurde stark verformt. Die Nutzlasten von REXUS 13 und 14 sowie die ausgeworfenen Sonden wurden nach der Landung sofort von Helikoptern geborgen und zum Startplatz zurücktransportiert. Damit konnten alle Studententeams ihre Experimente  bereits jeweils zirka nach einer Stunde wieder in Empfang nehmen und die Daten sichern. Das ist die Voraussetzung für die Auswertung, die in den kommenden Wochen und Monaten erfolgen wird. Die erste Analyse hat leider gezeigt, dass trotz der ausführlichen Tests an den Tagen vor dem Start während des Fluges nicht alle Experimente so wie geplant und erwartet gearbeitet haben.

Zahlreiche Tests gehen dem Start voraus

Bereits am 29. April 2013 waren die Studenten auf Esrange eingetroffen. In den Tagen bis zum Start wurde getestet, ob die Experimente nach dem Transport noch voll funktionsfähig sind. Geprüft wurde auch, ob sie einzeln und im Verbund mit den anderen Experimenten problemlos mit den Systemen der Rakete  zusammenarbeiten. Das Servicemodul ist beispielweise die zentrale Einheit, über die alle Experimente  mit Strom versorgt werden, und die Kommandos, Status- und Messdaten sowie Videobilder über die Bodenstation direkt zu den Computern der Studententeams überträgt. So können die Studenten ihr Experiment während des Flugs verfolgen. Vor den Starts wurden noch Flugsimulationen und ein Test-Countdown durchgeführt, bei denen alles so ablief wie beim richtigen Flug, nur dass die Raketen nicht gezündet wurden.

Jedes Experiment ist innerhalb eines zylindrischen Behälters, eines so genannten Moduls, befestigt. Aufeinander geschraubt bilden sie zusammen mit dem Servicemodul, dem Bergungssystem, der Raketenspitze und dem Adapter für den Raketenmotor die Nutzlast. Mit dem Raketenmotor ist die Rakete dann komplett.

REXUS und BEXUS: ein Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs

Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre Vorschläge für Experimente können jährlich im Herbst eingereicht werden. Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.

Die deutschen Experimente der REXUS-13/14-Kampagne werden vom DLR Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen betreut. Die Flugkampagnen führt EuroLaunch durch, ein Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA), die für die technische Betreuung der Raketensysteme zuständig ist, und des Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC, das die Startinfrastruktur zur Verfügung stellt. Die programmatische Leitung erfolgt durch das DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.

30.04.2013 - Vorbereitung für Deutschlands ISS Mission

Ein Deutscher im Weltall – viele Namen fallen einem dazu nicht ein, sie lassen sich buchstäblich an nur zwei Händen abzählen. Die Missionen dazu sind in Deutschland legendär, etwa die Flüge mit dem Spacelab, D1 und D-2, Besuche auf der MIR-Raumstation oder die Vermessung der Erde während der Radar-Mission SRTM mit dem amerikanischen Space Shuttle. Auf der Internationalen Raumstation waren bisher gar erst zwei Deutsche: Thomas Reiter für seine Astrolab-Mission 2006 und Hans Schlegel für die Installation des Columbus-Moduls 2008. Nächstes Jahr wird es wieder einmal soweit sein: Diesmal startet der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst zu seinem ersten Raumflug – was zugleich der erste Langzeitaufenthalt eines Deutschen auf der ISS sein wird, der durch das Kontollzentrum der ESA im DLR in Oberpfaffenhofen vollverantwortlich durchgeführt wird.

Wegen der enormen Wichtigkeit der Mission sind die Vorbereitungsarbeiten schon in vollem Gange – und der Terminkalender von Astronaut Alexander Gerst sieht jede Woche bis zum Start ein anderes vorbereitendes Missionstraining in entweder Amerika, Russland, Japan oder Deutschland vor. Trotz dieses sehr anspruchsvollen Terminplans war Gerst Ende April für zwei Tage in Oberpfaffenhofen zu Gast. Auf der Agenda standen verschiedene Koordinierungsgespräche, um ein gutes Zusammenspiel zwischen dem Astronauten und „seinem Kontrollzentrum“ während der Mission zu gewährleisten. Unter der Leitung von ESA Mission Direktor Berti Meisinger und DLR-Flugdirektor German Zoeschinger informierte sich Gerst über die Arbeitsweise des Flight Control Teams, verfolgte einige Zeit interessiert das Geschehen im Kontrollraum und traf verschiedene Absprachen über den Informationsfluss zwischen der Raumstation und Oberpfaffenhofen.

Sowohl der leitende Flugdirektor Zoeschinger als auch Gerst betonten die Wichtigkeit der persönlichen Beziehung, selbst in einer hochprofessionellen und klar definierten Zusammenarbeit wie in der bemannten Raumfahrt. Daher wurde der Abend dazu verwendet, sich im ansprechenden Ambiente eines Münchner Restaurants näher kennen zu lernen: Mit Freunden ist die Zusammenarbeit deutlich einfacher als mit Unbekannten…

Gerst wird im Mai 2014 mit einer russischen Sojus-Rakete auf die ISS fliegen und dort etwa ein halbes Jahr auf der ISS forschen. Der promovierte Geophysiker freut sich besonders auf die Gelegenheit, die Vulkane, denen er einen Grossteil seiner wissenschaftlichen Laufbahn gewidmet hat, nun aus einer ganz anderen Perspektive – aus dem All – inspizieren zu können.

Das durch das DLR betriebene Columbus-Kontrollzentrum der ESA wird ihn dabei als eines der Hauptkontrollzentren für die ISS rund um die Uhr betreuen.

26.04.2013 - Wie funktionieren Gleichgewichtssinn und Satelliten in Schwerelosigkeit?

Elf Experimente und über 100 Wissenschaftler bei der 22. DLR-Parabelflugkampagne in Bordeaux

Es ist eine europaweit einzigartige Forschungsplattform - der umgebaute Airbus A300 Zero G der französischen Firma Novespace. Von seinem Heimatflughafen in Bordeaux aus ist das Flugzeug am 23., 24. und 25. April 2013 mit jeweils 35 Wissenschaftlern und elf Experimenten an Bord Richtung Atlantik gestartet. Nach drei Flugtagen mit insgesamt 93 Parabeln und 34 Minuten Schwerelosigkeit ist die 22. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am 26. April 2013 zu Ende gegangen.

Ulrike Friedrich und Hans-Ulrich Hoffmann sind zufrieden: Die DLR-Projektleiterin für die Parabelflugkampagnen und ihr Stellvertreter sind zwar ein eingespieltes Team, doch ist Forschen in Schwerelosigkeit nie Routine. "Bei der 22. DLR-Kampagne hatten wir insgesamt elf Experimente von deutschen Hochschulen und aus der Industrie an Bord, darunter zwei biologische, drei humanphysiologische, drei physikalische, ein materialwissenschaftliches und zwei technologische. Jedes Experiment ist auf Herz und Nieren geprüft. Um keine wertvolle Parabel-Zeit zu verlieren, muss jeder Handgriff bei den Wissenschaftlern sitzen und natürlich auch die Technik funktionieren", erklärt Ulrike Friedrich. Dabei können die Wissenschaftler ihre Experimente bis zum Flug nur unter den Schwerkraftbedingungen der Erde machen - lediglich in Einzelfällen kann Schwerelosigkeit simuliert werden.

Blutanalyse an Bord der ISS

Till Eisenberg und sein Team von "Astrium Space Transportation" beispielsweise haben das Weltraumlabor Immunolab getestet, das 2016 zur Internationalen Raumstation ISS fliegen soll: "Immunolab ist ein Analysegerät, das die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das Immunsystem sichtbar macht und mit dem die Proben - zum Beispiel Blut, Plasma, Urin, Speichel oder Blutzellen direkt nach ihrer Entnahme analysiert werden können", erklärt Eisenberg. Bislang mussten derartige Proben zunächst eingefroren und dann bis zur nächsten Rücktransportmöglichkeit zur Erde auf der ISS aufbewahrt werden. Immunolab ist ein erster Schritt in Richtung in-situ-Kontrolle und Überwachung der Gesundheit im All. Während des Parabelflugs haben die Ingenieure kritische operationelle und technische Aspekte in Schwerelosigkeit getestet. "Wir haben zum Beispiel untersucht, wie sich verschiedene Flüssigkeiten kontrolliert austauschen oder mischen lassen und chemische Reaktionen durchgeführt werden können und wie dies manuell und automatisiert in der Schwerelosigkeit funktioniert."

Kraft eines Herzschlags in der Schwerelosigkeit

Der deutsche ESA-Astronaut Hans Schlegel erlebte die 22. DLR-Parabelflugkampagne als Proband eines medizinischen Experiments der Medizinischen Hochschule Hannover und des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin. Prof. Jens Tank und seine Kollegen wollten die Kraft eines Herzschlags ohne Einwirkung der Schwerkraft messen und herausfinden, wieviel Blut das Herz mit welcher Beschleunigung bei jedem Schlag transportiert und welche Kraft dazu notwendig ist (Ballistokardiographie). "Wir gehen davon aus, dass das Herz in Schwerelosigkeit mit weniger Kraftaufwand arbeitet", erläutert Tank.

Exakte Separation von Nano-Satelliten

In einem mit Netzen abgesperrten Teil des Flugzeugs hatten die Entwickler vom Aerospace Institut aus Berlin ihr Technologie-Experiment installiert: "Wir testen einen elektromechanischen Separationsmechanismus von Nano-Satelliten unter Schwerelosigkeitsbedingungen und haben dazu verschiedene Modelle aufgebaut", beschreibt Norbert Pilz die Situation. In den Schwerelosigkeitsphasen wurde dazu ein etwa hutschachtelgroßer Dummy-Satellit mehrfach horizontal ausgestoßen und in dem Sicherungsnetz aufgefangen. Dabei haben die Ingenieure den Vorgang der Separation aus verschiedenen Perspektiven gefilmt, um herauszufinden, wie gut die Trennung mit Blick auf Geschwindigkeit und Rotationsrate des Dummy-Satelliten funktioniert hat.

Gleichgewichtsübungen für den aufrechten Stand

Wie sich der aufrechte Stand sowie die Kontrolle von Bewegungen und Gleichgewicht in Schwerelosigkeit verändern, haben Prof. Albert Gollhofer und seine Mitarbeiterinnen vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg untersucht. "Wir haben unsere Testpersonen auf eine bewegliche Platte gestellt und ihnen verschiedene Gleichgewichtsaufgaben gestellt, die sie auf einem Bein stehend erledigen mussten", beschreibt Ramona Ritzmann. Dabei wurden Muskelaktivitäten und neuronale Reflexe getestet. Im All verlieren die Astronauten die Fähigkeit des aufrechten Stands (posturale Kontrolle) - beim Wiedereintritt in das Schwerefeld der Erde müssen sie teilweise das selbständige Gehen und das aufrechte Stehen erst wieder üben. "Unser Ziel ist, ein Gleichgewichtstraining als Gegenmaßnahme für den Abbau der posturalen Kontrolle zu entwickeln, das auch in der Rehabilitationsmedizin auf der Erde angewandt werden kann", sagt Sportwissenschaftlerin Ritzmann.

Was passiert bei einer Parabel?

Für aussagekräftige Testergebnisse brauchten die Forscher zudem exakte Parabeln: "Pro Flugtag fliegen wir 31", berichtet Testpilot  Stéphane Pichené. Jede Parabel beginnt mit 20 Sekunden doppelter Erdschwere, gefolgt von 22 Sekunden Schwerelosigkeit, wiederum 20 Sekunden doppelter Erdschwere und dann zwei Minuten Pause mit normaler Erdschwerkraft. Der A300 Zero G steigt innerhalb dieser Zeit steil nach oben bis zu einem Winkel von 47 Grad und einer Höhe von 7600 Metern, "fällt" dann antriebslos weiter bis auf 8500 Meter und  beginnt dann seinen "Sturzflug" bis auf die normale Flughöhe von 6100 Metern. Hier herrscht wieder einfache Erdschwerkraft.

25.04.2013 - Astronaut und Versuchskaninchen in einem

1993, während der zweiten deutschen Spacelab-Mission D2, umkreiste Astronaut Hans Schlegel 160 Mal die Erde und führte dabei als Nutzlastspezialist die zahlreichen internationalen Experimente durch. Für Schlegel war es der erste Flug ins Weltall. Im Interview erinnert er sich 20 Jahre später daran, wie die Mission startete, welche Experimente ihm in besonderer Erinnerung geblieben sind und wie die Arbeit im Weltraum-Labor ist.

Das Interview führte Manuela Braun.

Die D2-Mission fing sehr nervenaufreibend an: Drei Sekunden vor dem geplanten Abheben am 22. März 1993 wurde der Start abgebrochen. Wie lange dauert es, bis das Adrenalin nach dem Aussteigen wieder auf einem normalen Level ist?

Wir hatten bei dieser Mission auch in den Tagen davor viele, viele Verschiebungen erlebt. Und jetzt passte anscheinend auf einmal alles zusammen. Das Wetter vor Ort wurde besser, alle anderen Parameter wie zum Beispiel das Wetter über dem Atlantik bei den Notlandestellen spielten mit. Unser Gefährt funktionierte. Die Mannschaft war auf den Punkt vorbereitet. Und im Laufe des zweieinhalbstündigen Countdowns, bei dem wir schon im Shuttle saßen, hieß es immer: Es funktioniert alles, wir gehen heute in den Orbit. Wir waren schon in der Phase, wo die Triebwerke brannten, wo die Haupttriebwerke geschwenkt werden. Das führt dazu, dass das Shuttle ein wenig schwankte – man spürt die Bewegung. Und dann kam auf einmal drei Sekunden vor dem Abheben diese Warnsirene, die wir von Simulationen kannten. Aber wenn das wirklich passiert, geht das Adrenalin hoch - wenn das überhaupt noch möglich ist so kurz vorm Start. Der Bordcomputer hat sofort innerhalb von hundertstel Sekunden die Triebwerke abgeschaltet. Für uns war das ein Ersterben der Geräuschkulisse. Und dann kommt die Spannung: Was ist passiert? Ist die Situation gefährlich oder nicht? Müssen wir jetzt innerhalb von Sekunden heraus, mit der Seilbahn zur Erde schweben und in den Bunker gehen? Auf der einen Seite war ich enttäuscht über den abgebrochenen Start, auf der anderen Seite erleichtert, dass die gefährliche Situation gemeistert wurde. Ich fand mich noch sehr neutral, aber auf den Fotos von uns während unseres Ausstiegs habe ich in meinem Gesicht 100 Prozent Enttäuschung gelesen. Eine sehr interessante Erfahrung, die ich aber nicht noch mal machen möchte.

Es dauerte dann noch einmal fast einen ganzen Monat, bis es wirklich losging. Sie hatten ja lange für Ihren ersten Flug trainiert, aber kann ein Training - sei es auch noch so umfassend - auf die ersten Momente in Schwerelosigkeit, auf einen Flug im Shuttle vorbereiten?

Erst einen Fehlstart zu erleben und sich dann noch mal konzentriert auf den Start vorzubereiten, das ist wie beim Sport. Man muss sich fokussieren können, als wäre es der erste und einzige Start. Darauf wird man vorbereitet. Das Training ist auch darauf ausgelegt, uns auf die Schwerelosigkeit vorzubereiten, indem man zum Beispiel an Parabelflügen teilnimmt und da mehrmals 20 Sekunden Schwerelosigkeit erlebt. Aber die andauernde Schwerelosigkeit, die Anpassung des Körpers an diesen Zustand - darauf kann man sich nur theoretisch vorbereiten. Davon hat man gehört, aber das physikalisch und psychologisch zu verarbeiten, das muss jeder für sich selbst machen. Das dauert so zwischen zwei und fünf Tagen, bis man wieder im Gleichgewicht ist, und man gelernt hat, mit der Schwerelosigkeit umzugehen.

Ihre Mission ging über zehn Tage, die vollgestopft waren mit Experimenten von der Robotik bis hin zur Biologie. Sie sind studierter Physiker – welche Experimente sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

In der Vorbereitung macht man keine Unterschiede. Und auch wenn man ein Experiment nach zehn Stunden Arbeit im Weltall durchführt, macht man es mit derselben Sorgfalt und Konzentration, wie das Experiment zu Beginn des Arbeitstages. Aber natürlich lernt man im Laufe der Ausbildung viel Neues, denn man muss die Experimente ja durchaus kritisch ausführen: Ist der Ablauf wie geplant oder ist die Abweichung ein Fehler des Geräts oder das Ergebnis? Aber das hat mich ja genau zum Physiker gemacht - das kritische Experimentieren. Ganz ehrlich: Mir liegen besonders die medizinischen Experimente, bei denen der Astronaut nicht nur der Durchführende, sondern auch das Versuchskaninchen ist. Ich bin zum Beispiel mit einem zentralen Venenkatheder gestartet, der in der linken Armbeuge in meine Vene eingeführt wurde und dann über die Halsvene bis fünf Zentimeter vors Herz vorgeschoben wurde. Während des Flugs kontrolliert man dann, ob alles aufgezeichnet wird. Das verlangt auch Abstraktion von den eigenen körperlichen Gefühlen und vielleicht auch von der psychologischen Seite, dass man gerade die Messwerte des eigenen Körpers beobachtet. Das fand ich ausgesprochen herausfordernd - aber irgendwann gewöhnt man sich daran.

Wenn man Fotos von Astronauten während der Experimente sieht, lächeln die oftmals oder sehen erstaunt aus - ist man tatsächlich so erfreut und verblüfft über die Ergebnisse, die man zu sehen bekommt?

Ganz nüchtern gesagt: Wir wissen ja,  dass wir fotografiert werden, dann macht auch jeder ein freundliches Gesicht. Andererseits bringen die Mission und die erfolgreiche Durchführung der Experimente auch Zufriedenheit, Glücksgefühle und Erfolgserlebnisse mit sich. Das erste Mal, als ich wirklich selbst gedacht habe, jetzt bin ich entspannt - das war nach vier, fünf Tagen, als ich beim Kontakt mit der Bodenstation ein Lachen im Hintergrund hörte. Dann weiß man nicht nur, dass man seine Experimente gut macht, sondern auch dass die Wissenschaftler am Boden in gelöster Stimmung über die erfolgreiche Mission sind. Diese Freude überträgt sich auf die Astronauten.

Bei der D2-Mission flogen Sie mit dem Spacelab durch das Weltall, 2008 sind Sie dann zur Internationalen Raumstation ISS für die Installation des europäischen Columbus-Moduls geflogen. Wie vergleichbar ist dieser Einsatz in den beiden Weltraumlaboren?

Das ist sehr unterschiedlich. Rein räumlich sind das Spacelab und das Columbus-Modul zwar sehr ähnlich - sechseinhalb Meter lang, fünf Meter Durchmesser, ausgestattet mit den Experimentierschränken und den Lebenserhaltungssystemen. Aber der Ablauf ist zu 100 Prozent unterschiedlich. Für die D2-Mission hatten wir Jahre vorher damit verbracht, die einzelnen Experimente zu verstehen und zu üben - und dann wird innerhalb von zehn Tagen ein Experiment nach dem anderen durchgeführt ohne Abweichung. Das ist alles sehr festgelegt. Mit dem Columbus-Modul haben wir heute ein Labor, das über Jahre im Orbit ist und in dem rund um die Uhr das Experimentieren in Schwerelosigkeit durchgeführt wird. Es ist ein bisschen mehr wie in einem Labor auf der Erde, wo man verschiedene Experimentreihen mit verschiedenen Parametern hintereinander machen kann.

Sie waren damals mit der D2-Mission zehn Tage im All, für die Columbus-Mission dann 13 Tage. Hätte Sie damals auch eine Langzeitmission gereizt, wie sie heute üblich ist?

Oh ja! Das war der Grund, warum ich nach der D2-Mission als Ersatzkosmonaut für eine deutsch-russische Mission gearbeitet habe und mich danach als europäischer Astronaut beworben habe, um in den USA ausgebildet zu werden für einen Langzeitflug. Das hat sich dann nicht ereignet. Stattdessen bin ich ausgewählt worden, um einen Shuttle-Flug durchzuführen und das Columbus-Labor zur Raumstation zu bringen. Damit musste ich  zufrieden sein, und es war auch eine große Ehre für mich. Aber mein eigentlicher Traum wäre tatsächlich ein Langzeitaufenthalt im All gewesen. Ich bin noch heute Astronaut und auch noch einsatzfähig - aber mit meinem Alter von 61 Jahren wird man mich wohl nicht mehr dafür auswählen.

Wie wäre es mit Mond oder Mars?

Natürlich! Die Vision für mich ist, dass wir Menschen vielleicht zum Mond zurückkehren und lernen, wie wir auf einem anderen Planeten überleben können und dort vielleicht sogar eine Station aufbauen. Für mich ist das ultimative Ziel - und die Menschen werden das ohne Zweifel machen -, zum Mars zu fliegen und dort zu siedeln. Die Frage ist nur: Werden wir es schaffen und wann? Ich hoffe, dass ich den Ansatz davon noch miterlebe.

25.04.2013 - D2-Mission vor 20 Jahren: Krallenfrösche und Kristalle in der Schwerelosigkeit

26. April 1993, 18.51 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. "Go for Spacelab activities", verkündet das Mission Control Center der NASA. Fast zwei Monate hatten die deutschen Astronauten Hans Schlegel und Ulrich Walter und ihre amerikanischen Kollegen warten müssen, bis mit diesem Kommando endlich ihre D2-Mission im All beginnen konnte. Undichte Feststoffraketen, Ladebuchttüren, die nicht schließen wollten, oder auch ein geplatzter Hydraulikschlauch hatten bereits mehrmals für Verschiebungen des jeweiligen Starttermins gesorgt. Am 22. März schließlich war es ein fehlerhaftes Ventil, das den Bordcomputer den Start noch abbrechen ließ, während die Haupttriebwerke bereits gezündet waren. Die D2-Mission, bei der im Spacelab 88 Experimente in der Schwerelosigkeit durchgeführt werden sollten, stellte alle Beteiligten auf eine harte Geduldsprobe. Der erfolgreiche Start brachte schließlich die Wende: Bereits auf dem Weg ins Weltall führten Schlegel und Walter die ersten medizinischen Experimente durch. Im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hieß es in den nächsten zehn Tagen "Schichtdienst rund um die Uhr", denn alle Experimente wurden von dort überwacht und gesteuert.

Schichtdienst im All und am Boden

"Sehr geehrter Herr Schlegel, sehr geehrter Herr Walter, Sie sind sicherlich froh, nach vielen Jahren intensiver Vorbereitung und nach den eingetretenen Verzögerungen nun mit Ihrer Arbeit im Orbit beginnen zu können", ließ Bundeskanzler Helmut Kohl in einem Telex den Astronauten ausrichten. Er wünsche viel Erfolg, bei der Bewältigung des anspruchsvollen wissenschaftlichen Programms. Die Besatzung der russischen Raumstation MIR funkte: "Wir beglückwünschen die amerikanisch-deutsche Crew der Columbia zu ihrem erfolgreichen Start. Viel Glück für euren Flug!" Missionsmanager Hauke Dodeck vom DLR macht es knapper, wenn er von der D2-Mission spricht: "Es war ein sehr aktive Zeit." Nicht nur das Team am Boden arbeitete rund um die Uhr, auch die Astronauten waren in zwei Schichten eingeteilt und wechselten sich bei den Experimenten ab. Jede Minute in der Schwerelosigkeit war kostbar – neun Tage sollte die Mission dauern.

88 internationale Experimente

Eine Kamera an Bord blickte zur Milchstraße, eine fotografierte die Erdoberfläche. Im Biolabor tummelten sich Larven des Südafrikanischen Krallenfrosches und des Buntbarsches, um ihre Reaktion auf die Schwerelosigkeit zu beobachten. Auch Tabak, Sonnenblume und Fingerhut wurde auf die Reise in die Schwerelosigkeit geschickt – ihre Zellen sollten im All miteinander verschmelzen. Ulrich Walter strampelte auf dem Fahrrad-Ergometer und erfasste dabei die Zusammensetzung seiner Atemluft. Hans Schlegel züchtete in der MEDEA-Anlage Gallium-Arsenid-Kristalle. Mit den insgesamt 88 europäischen, amerikanischen und japanischen Experimenten übertraf die D2-Mission ihre Vorgängermission D1, die 1985 um die Erde kreiste. Im Kontrollzentrum am DLR-Standort Oberpfaffenhofen erstellte Projektleiter Hauke Dodeck mit seinem Team jeden Abend einen Statusbericht und aktualisierte die Ablaufpläne – die Timelines – für die Mission. "Das Raumfahrtkontrollzentrum des DLR hatte ja die Verantwortung für den gesamten Nutzlastbetrieb."

Roboterarm mit Fernsteuerung

Für Furore sorgte ein kleiner Würfel, der in der Schwerelosigkeit schwebte: Am 2. Mai steuerte ein DLR-Wissenschaftler aus dem Team von Prof. Gerd Hirzinger in Oberpfaffenhofen vom Boden aus den Roboterarm ROTEX, der 300 Kilometer über der Erde ferngesteuert den Würfel einfing. Erstmals in der Geschichte der Raumfahrt fing ein Roboter ferngesteuert einen Gegenstand im Weltall ein. Heute, 20 Jahre später, arbeiten die Wissenschaftler des Robotik- und Mechatronikzentrums des DLR am Robotersystem MIROSURGE, dass Chirurgen über "Fernsteuerung" bei Operationen unterstützen soll. Roboter Justin lässt sich über Telepräsenz steuern und könnte in Zukunft Astronauten bei Wartungsarbeiten im Weltraum helfen. Und mit dem Projekt DEOS im All nach defekten Satelliten greifen und sie reparieren.

Zusätzlicher Tag für die Mission

Am 7. Tag kam schließlich dann die gute Nachricht: Die Stromversorgung hatte genügend Reserven für einen zehnten Missionstag. "Das war wertvolle Zeit", erinnert sich Missionmanager Dodeck. Unter anderem gingen die materialphysikalischen Versuche weiter, das medizinische Labor Anthro-Rack blieb in Betrieb, ROTEX sollte für weitere Aufgaben eingesetzt werden. Der Zusatztag verhalf auch einem weiteren Experiment zu seiner Erfindung: Ohne Eingriffe in den Körper maß Astronaut Hans Schlegel mit der Ballistokardiographie die Schwingungen, die der Herzschlag auf den Körper ausübt - ein Experiment, das Wissenschaftler des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, der Universität Witten-Herdecke, der Medizinischen Hochschule Hannover, der belgischen Royal Military Academy und der University of California, auf der 22. Parabelflugkampagne des DLR gemeinsam mit Astronaut Hans Schlegel wiederholten.
"In den vergangenen 20 Jahren seit der D2-Mission ist viel geschehen: Die Space Shuttles fliegen nicht mehr, und eine Internationale Raumstation kreist als Forschungslabor rund um die Uhr um die Erde – aber die D2-Mission ist und bleibt im Rückblick ein wichtiger Meilenstein mit wichtigen Forschungserfolgen", sagt Missionsmanager Hauke Dodeck. Am 6. Mai 1993 schließlich kehrten die Astronauten wieder zur Erde zurück. Dieses Mal war es dann das Wetter, das den sorgfältigen Planungen einen Strich durch die Rechnung machte: Statt in Florida zu landen, musste die D2-Crew auf die Edwards Air Force Base in Kalifornien ausweichen.

22.04.2013 - Nachhaltigkeit im All: Wie man Weltraummüll erkennen und vermeiden kann

Experten treffen sich in Darmstadt zur 6. Europäischen Konferenz über Weltraumrückstände

Vom 22. bis zum 25. April 2013 veranstaltet die Europäische Weltraumorganisation ESA im Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt die 6. Europäische Konferenz über Weltraummüll (Space Debris). Dr. Manuel Metz, Experte für Weltraummüll beim Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), ist Co-Moderator der Konferenz. Im Interview erklärt der Astrophysiker, was unter Weltraumrückständen verstanden wird und was dagegen getan werden kann. Die abschließende Pressekonferenz wird am 25. April 2013 von 12.45 Uhr bis 14.15 Uhr auch via Live-Stream auf www.esa.int/debris übertragen.

Am 15. Februar 2013 verursachte ein Meteoriteneinschlag nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk eine ungewöhnliche Explosion. Am Abend des gleichen Tages passierte der 65 Meter groß Asteroid 2012 DA 14 die Erde so nah wie noch kein Asteroid dieser Größe zuvor. Wie real und alltäglich sind solche Gefahren aus dem All?

Asteroiden und Meteoriten sind natürliche Objekte, Gesteinsbrocken, die sich in unserem Sonnensystem befinden. Die Erde wird tatsächlich recht häufig von kleineren Meteoriten getroffen, die wir nachts dann manchmal als Sternschnuppe beobachten können. Mit Ereignissen wie am 15. Februar 2013 ist aber nur sehr selten, etwa alle 100 Jahre, zu rechnen.

Was versteht man demgegenüber unter Weltraummülll - dem Thema der Konferenz?

Als Weltraummüll bezeichnen wir vom Menschen hergestellte Objekte, die sich im Weltraum befinden und keine Funktion mehr erfüllen. Typische Beispiele sind ausgediente Raketenoberstufen oder abgeschaltete Satelliten. Aber auch das verlorene Werkzeug eines Astronauten zählt dazu. Zahlenmäßig den größten Teil machen Trümmerteile aus, die entstehen, wenn Raumfahrzeuge auseinanderbrechen, weil beispielsweise Treibstoffreste explodieren, oder die durch Kollisionen zwischen verschiedenen Weltraummüll-Teilen im Orbit entstehen.

Welche Ansätze werden die Experten aus Wissenschaft und Industrie auf der 6. Europäischen Konferenz über Space Debris diskutieren?

Die Experten hier in Darmstadt diskutieren Fragen, die die Messung und Modellierung von Weltraummüll betreffen, wie man mit Risiken durch Weltraummüll für Satelliten im Orbit umgeht oder welche Folgen Treffer von kleinsten Partikeln für Satelliten haben. Es werden aber auch Lösungen erörtert, wie die Entstehung von Weltraummüll in Zukunft besser vermieden und Weltraummüll beseitigt werden kann.

Wie lassen sich denn Weltraumrückstände erkennen?

Von der Erde aus kann man Weltraummüll beispielsweise mit Radar aufspüren. Die Großradaranlage TIRA des Fraunhofer-Instituts in Wachtberg bei Bonn kann noch 2 Zentimeter große Objekte in einer Entfernung von 1000 Kilometern messen. Wenn solche Trümmer einen Satelliten treffen, hat das bei den hohen Geschwindigkeiten im Orbit von über 25000 Stundenkilometern gravierende Folgen. Schon kleine Teile von wenigen Millimetern Größe können Satellitenwände durchschlagen oder Solarpanele beschädigen. Und bei einem Treffer von einem einen  Zentimeter großen Objekt kann ein Satellit bereits vollständig außer Funktion gesetzt werden.

Welche Rolle spielt Deutschland beim Thema "Space Debris"?

In Deutschland wird seit vielen Jahren intensiv zum Thema Weltraummüll und Weltraumrückständen geforscht. So berechnen Wissenschaftler zum Beispiel, wie sich der aktuelle Weltraummüll verteilt, dessen Bahnen man nicht messen kann, weil die Teile hierfür zu klein sind. Wir machen Experimente zu den Auswirkungen von Einschlägen auf Satelliten und damit verbunden zu der Entwicklung von Schutzmaßnahmen für Satelliten. Und Experten berechnen auch die Risiken beim Wiedereintritt von Raumfahrzeugen.

Operativ hat Deutschland Ende 2009 das vom Wirtschafts- und Verteidigungsministerium initiierte und gemeinsam vom DLR und der Luftwaffe betriebene Weltraumlagezentrum der Bundesregierung eingerichtet. Hier analysieren deutsche Experten in Kooperation mit internationalen Partnern die Weltraumumgebung. Dabei geht es um den  Schutz unserer Satelliten vor Kollisionen und den Schutz der Bevölkerung vor wiedereintretenden Weltraumobjekten.

Und was tut das DLR?

Das DLR fördert in seiner Eigenschaft als Raumfahrtagentur Projekte, die sich mit Weltraumschrott befassen, erforscht aber auch an seinen eigenen Instituten, zum Beispiel in Stuttgart, die Frage, wie die Bahn von Weltraumschrott mit Lasern genauer bestimmt werden kann. Wir arbeiten dabei auch eng mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA zusammen, die hier in Darmstadt am Raumflugkontrollzentrum über ein eigenes Büro für Weltraummüll verfügt.

Für die Zukunft werden wir zudem Technologien entwickeln müssen, mit denen Satelliten im Orbit repariert und gewartet - beispielsweise wiederbetankt - werden können. Das DLR entwickelt hierzu mit Partnern aus Industrie und Forschung die Deutsche Orbitale Servicing Mission - kurz DEOS -, deren Start für Ende 2017 / Anfang 2018 geplant ist. Mit dieser Mission soll gezeigt werden, dass das sichere Anfliegen, Warten und Montieren eines defekten, taumelnden Satelliten im Orbit ohne den Einsatz von Astronauten möglich ist. Schließlich soll auch die kontrollierte Rückholung zum Missionsende gezeigt werden, indem der Satellit über dem Ozean zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gebracht wird.

Wie lässt sich Weltraummüll vermeiden?

Wenn neue Satelliten gestartet werden, geht es vor allem darum, keinen weiteren Weltraummüll zu erzeugen. Dies wird bereits bei Planung und Bau berücksichtigt. Es dürfen zum Beispiel keine Objekte im Orbit freigesetzt werden, Treibstoffe müssen zum Schluss einer Mission verbraucht sein, um Explosionen zu verhindern. Und Satelliten werden heute so gebaut, dass sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre möglichst vollständig verglühen. So kann das  Risiko vermindert werden, dass Teile auf der Erde auftreffen. Des Weiteren müssen Kollisionen der Satelliten im Orbit verhindert werden. Satellitenbetreiber rechtzeitig zu "warnen", damit diese ihre Satelliten notfalls ausweichen lassen können, ist eine der Aufgaben des gerade im Aufbau befindlichen, vom DLR zusammen mit der Luftwaffe betriebenen Weltraumlagezentrums.